25 - Ardistan und Dschinnistan II
sich her, durch zwei verdeckte Gänge, eine Treppe empor, wieder einen Gang und wieder eine Treppe, bis wir auf Dienerschaft trafen, von der wir zurechtgewiesen wurden. Schakara war, ebenso wie ihre Herrin, hier bekannt. Der Schech el Beled hatte auf dem geraden Wege, noch ehe wir von demselben in westlicher Richtung abgewichen waren, um nach dem Fluß zu reiten, einen Boten nach dem Schloß von El Hadd gesandt, um unsere Ankunft anzusagen und unsere Zimmer vorbereiten zu lassen. Man wußte also, wo Schakara und auch wo ich wohnen sollte. Es wurden mir zwei Räume gegeben, neben denen auch zwei für Hadschi Halef lagen. Ich hatte einen großen, überdeckten Balkon nach Süden zu, also nach der Stadt. Die Einrichtung war orientalisch und ebenso reich wie bequem. Man fragte mich, ob ich essen wolle, und ich genierte mich gar nicht, ja zu sagen. Ich bestellte sogar für meinen kleinen Halef mit, weil ich mir sagte, daß zu einem vereinten, lange währenden und offiziellen Abendessen heute wohl keine Stimmung sei. Ein jeder hatte zunächst mit sich selbst und mit dem, was ihn besonders berührte, zu tun. Den Eltern, die sich soeben erst ihrem Sohn hatten offenbaren dürfen, konnte man nicht zumuten, diesen Abend für andere zu verwenden.
Bevor man mir das Essen brachte, bekümmerte ich mich um unsere beiden Pferde. Sie waren bei den Vollblutlieblingen des Schech el Beled untergebracht und befanden sich in bester, aufmerksamster Pflege. Als ich mich dann zum Abendbrot niedergesetzt hatte, stellte sich der Hadschi ein. Er glänzte vor Glück und Freude.
„Effendi“, sagte er, „heute ist einer der schönsten Tage, die ich erlebte. Wie schade, daß du gingst! Wärest du geblieben, so hättest du gesehen, daß –“
„Daß du einer der rücksichtslosesten und ungezogensten Menschen bist, die es gibt!“ fiel ich ihm in die Rede.
„Was? Wie? Rücksichtslos und ungezogen? Willst du mich beleidigen?“
„Nein, sondern nur aufmerksam machen und unterrichten. Wo solche Dinge geschehen, ist es nicht Sitte, stehenzubleiben und sich als mit zur Familie gehörig zu betrachten!“
„Was für Dinge? Was für eine Familie? Meinst du etwa, daß ich nicht wissen dürfte, was da gesprochen wurde und wie zärtlich die drei miteinander waren?“
„Ja, das meine ich, eben das!“
„Aber ich bin doch ihr Freund! Ich bin doch Hadschi Halef Omar, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar!“
„Das zu sein ist in diesem Falle nichts, gar nichts! Denke dir, du seist mit Hanneh, deinem Weibe, über zehn Jahre lang von Kara Ben Halef, deinem Sohn, getrennt gewesen, und grad in dem Augenblick, wo ihr ihn wiederfindet und eure Herzen vor Wonne überfließen, stellt sich jemand hin und paßt genau auf, was ihr sagt, was ihr tut und wie ihr euch benehmt!“
„Das kann er; das darf er; das soll er! Denn erstens fällt es uns gar nicht ein, uns zehn Jahre lang voneinander zu trennen, und zweitens werden wir uns dann beim Wiedersehen so benehmen, daß jedermann dabeistehen kann, um sich zu überzeugen, was wir sagen und was wir tun.“
„Blieb denn der Mir von Ardistan auch stehen?“
„Nein, der ging auch.“
„Und der Scheik der Ussul?“
„Als der sah, daß der Mir sich entfernte, folgte er ihm.“
„Nur du bliebst also stehen?“
„Nein! Nicht ich allein, sondern auch Marah Durimeh! Und diese ist nicht nur dein Vorbild, sondern auch das meinige. Was sie tut, darf getrost auch jeder andere tun! Und, Effendi, du gingst doch wohl mit Schakara hinaus?“
„Allerdings.“
„Sie ging voran, du hinterher?“
„Ja.“
„Und sie hatte dich dabei an der Hand?“
„Ja.“
„Du gingst also nicht hinaus, sondern du wurdest hinausgeführt oder gar hinausgebracht. Sag die Wahrheit! Von wem ist die Aufforderung ausgegangen, den Raum zu verlassen? Von dir oder von ihr?“
„Von ihr!“
„Schön! So bist du erwischt; so bist du ertappt; so bist du verurteilt und überführt! Wenn Schakara dich stehen lassen hätte, so ständest du höchst wahrscheinlich jetzt noch dort und gingst nicht von der Stelle! Mich aber nennst du rücksichtslos und ungezogen. Daß ich das nicht bin, sondern daß man ganz im Gegenteil meine gute Erziehung und meine Verdienste anerkennt, magst du daraus ersehen, daß ich von der Schloßherrin in eigener Person bis hierher vor diese Tür gebracht worden bin. Und nun du offenbar unrecht hast, laß uns wieder einig sein und miteinander essen!“
Nach dem Essen setzten wir uns
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