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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht nur genauso hoch, sondern noch viel höher denken als wir. Was sie wollen, ist nichts Gewöhnliches, sondern etwas wahrhaft Großes, Edles und unendlich Friedliches. Der höchste und schönste Gedanke meiner Seele hat aus seiner Tiefe und Verborgenheit hervorsteigen dürfen, um in Gestalt des Dschirbani vor uns hinzutreten. Ich bin so glücklich, so unendlich glücklich darüber und bitte dich, mein Vater, sag ja, sag ja!“
    Da zog der Vater den Sohn an sich, küßte ihn zärtlich auf Wange, Mund und Stirn und sagte:
    „Nun wohl, es sei. Wenn du ihnen verzeihst, so verzeihe ich mit.“
    Da sprach der Dschirbani in sehr ernstem Ton:
    „Danke deinem Weib und diesem deinem Sohn! Bis zu diesem Augenblick stand deines Schicksals Waage noch unentschieden. Erst jetzt, da du verzeihen willst, ist nun auch dir in Wirklichkeit verziehen. Du bist frei; ihr alle seid frei, vollständig frei, ohne jede Strafe, ohne jedes Opfer, ohne die geringste Sühne. Ich werde mit dir von der Felsenplatte hinab zu deiner Dschema steigen, um im Sinne eines aufrichtigen, dauernden Friedens zu ihr zu reden. Ihr werdet alle Wasser und Speise bekommen, soviel ihr für euch und eure Tiere braucht. Binnen jetzt und einer halben Stunde darf hier kein Tschoban mehr zu sehen sein. Wir müssen den Dschunub, wenn sie kommen, verheimlichen, was hier geschehen ist und daß wir beide uns verbunden haben.“
    „Gib dir mit ihnen keine große Mühe“, sagte der Scheik in sehr geringschätzendem, ja fast verächtlichem Ton. „Die Dschunub sind keine Männer, sondern Puppen zu den Schattenspielen des Mir von Ardistan. Er macht ihnen weis, daß sie sich selbst regieren, in Wahrheit aber sind sie seine Sklaven. Er bewaffnet sie, als ob sie Helden seien, und doch sind sie die größten Memmen, die es gibt. Das Leben ist für sie ein Kef, ein Mittagsschlaf. Sie sind sogar zu faul, zu Gott zu beten; sie spannen ihre Gebete in Mühlen, die sich im Wind und Wasser drehen, und halten Allah wirklich für so dumm, daß er sich darüber freut. Wenn sie kommen, werden sie zwar voller Waffen hängen und gute Pferde haben, aber große Taten von ihnen zu sehen, darauf mußt du verzichten.“
    Es war nicht das erste Mal, daß ich die Dschunub in dieser Weise charakterisieren hörte, und was der Scheik da sagte, war ganz richtig. Ihr Land war, mit der Wüste der Tschoban verglichen, von ungeheurer Fruchtbarkeit. Sie brauchten kaum die Hand zu rühren, so fiel ihnen alles, was sie nötig hatten, in den Schoß. Das hatte sie entnervt, entkräftet und hochmütig gemacht und, wie wir bald sehen werden, feig, verächtlich feig.
    Als wir die Platte erreichten, hatten sich die Tschoban an dieser Stelle eng zusammengezogen. Ihr Scheik war mit uns gegangen, und so erwarteten sie, daß nach seiner Rückkehr hier die Entscheidung fallen werde. Von hier oben aus konnte man weiter gesehen und gehört werden als von unten. Darum wartete der Scheik gar nicht, bis er zu ihnen hinunterkam, sondern trat bis an den Rand der Platte vor und sprach gleich von hier aus hinab zu ihnen.
    Wie lauschten sie! Was sie da hörten, das hatten sie nicht erwartet! Es kam ihnen so überrascht, daß, als er schwieg, kein lauter Ruf erfolgte. Nur ein frohes, aber im Wind schwer vernehmliches Summen ging von Mund zu Mund. Da ergriff der Dschirbani das Wort. Er war ein besserer Redner als der Scheik und besaß die Gabe, zu überzeugen und zu begeistern. Er zählte in kurzen Zügen alle Vorteile des abgeschlossenen Bündnisses auf, deutete darauf hin, daß sie diese Vorteile erfassen könnten, ohne sie eigentlich verdient zu haben; er zeigte ihnen ihre Vergangenheit, ihre Gegenwart, ihr hartes, entsagungsreiches Leben in der Wüste. Und er entrollte ihnen das Bild ihrer Zukunft, wie es sich infolge des Bündnisses mit den Ussul entwickeln müsse. Da wurden sie warm; da stellte sich der Glaube, das Vertrauen bei ihnen ein. Die Freude drang in lauten Zurufen durch, und als er geendet hatte, erschallte ein Beifall, dessen Stimme von dem Felsentor bis hinunter zum Felsenloch reichte.
    Und da trat nun auch der Prinz vor und begann zu sprechen. Er wurde, als man ihn sah, mit Jubel empfangen. Man hörte an diesem nicht enden wollenden Frohlocken, daß nicht sein Bruder, sondern er der Liebling seines Stammes war. Als er die Hand emporhob zum Zeichen, daß er reden wolle, gehorchte man sofort, es trat augenblicklich Stille ein. Auch die Natur nahm teil an dieser Stille. Ein kurzer, scharfer, rasender Windstoß

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