25 - Ardistan und Dschinnistan II
hinrichten lassen. Ich habe –“
„Du irrst!“ unterbrach ich ihn. „Das alles wäre falsch gewesen!“
„Warum?“
„Weil der Basch Islami recht hat. Du bist ja wirklich der Tyrann, als den er dich beschrieb! Es ist alles wahr, was er behauptete! Er hat keineswegs zuviel gesagt, sondern zuwenig! Es ist, als ob du deine Untertanen absichtlich triebst, sich gegen dich aufzulehnen. Daß du nicht schon längst vom Thron gestoßen oder gar ermordet worden bist, kommt mir wie ein Wunder vor, an dem –“
„Schweig!“ unterbrach er mich. „Glaubst du, weil ich nachsichtig gegen dich gewesen bin, werde ich mir nun alles gefallen lassen? Ich zermalme dich!“
Er streckte beide Arme aus, als ob er mich ergreifen wolle.
„Versuche es!“ antwortete ich. „Der Zermalmte bist dann du! Das Doppelheer des Dschirbani steht an deinen Grenzen. Wenn er diese Grenzen überschreitet und mit den Verschwörern gemeinsame Sache macht, bist du verloren. Sie werden ihn mit Jubel empfangen. Ich aber denke gar nicht daran, dir nur Dinge zu sagen, die dich beleidigen müssen. Du bist ein Tyrann; ja, das ist richtig. Aber du bist noch mehr wert als das: du bist ein großangelegter Mensch. Du brauchst nur zu wollen, so verwandelt sich der Peiniger in den Wohltäter. Laß den Basch Islami laufen, und forsche nicht nach seinen Mitschuldigen und ihren Absichten! Es wird doch alles anders, als sie denken. Bis jetzt sind sie im Recht. Lehre sie empfinden, daß sie Unrecht haben und daß du edel bist; dann bricht ihr Widerstand ganz in sich selbst zusammen. Daß du den Basch Islami nicht festnahmst, war der erste große Schritt in die neue Zukunft hinüber, die du deinem Volke bietest. Er wird dir größeren Segen bringen, als du denkst. Deine Aufgabe ist nicht, die Völker gegeneinander in Haß und Tod zu treiben, sondern ein Fürst der Liebe und des Friedens zu sein. Habe ich dich heute zur Umkehr und zum Guten verführt, so bin ich auch bereit, die daraus entspringenden Folgen zum Guten zu lenken. Sollte die Empörung die wir heut entdeckten, wirklich ausbrechen, so wird der Dschirbani dir seine Scharen sofort zur Verfügung stellen, sie wie mit einem Schlag zu unterdrücken!“
Der Mir hatte die gegen mich erhobenen Arme schon längst wieder sinken lassen und mich mit Spannung angehört. Jetzt stieß er schnell und energisch die Frage hervor:
„Ist das wahr? Er, der gegen mich zieht, will mir in diesem Fall helfen?“
„Es ist wahr. Ich hafte dafür!“
„Und was verlangt er für die Hilfe?“
„Nichts.“
„Gar nichts?“ fragte er erstaunt.
„Gar nichts! Er kommt als dein Freund, hilft dir, die Revolution niederschlagen und kehrt dann zu derselben Stelle zurück, an der er sich jetzt befindet, um wieder dein Gegner zu sein.“
„Und das ist wahr? Wirklich wahr?“
„So wahr, wie ich es sage! Er verlangt keinen Lohn; er tut es umsonst, aus Interesse für dich, den er achtet! Höchstens hätte ich eine Bitte, also nicht er, sondern ich, die ich dir vorlegen möchte, bevor du dich entschließt. Nicht eine Bitte für mich, sondern für dich, zu deinem eigenen Heil.“
„Sage sie!“
„Es ist heut der fünfzehnte Kanun el Auwal (Dezember). Auf den fünfundzwanzigsten dieses Monates fällt das größte und wichtigste Fest der Christen, welches ihr hierzulande Id el Milad (‚Fest der Geburt‘, Weihnacht) nennt. Erlaube, daß sie es in ihrer Weise feiern, und zwar da unten in der Kirche, in der großen Mittelkuppel, wo wir waren! Tue es nicht nur um ihret-, sondern ebenso auch um deinetwillen! Du hast gehört, daß sie die einzigen sind, die treu und ehrlich zu dir halten, obwohl man überall weiß, daß du sie haßt und verfolgst. Lehre sie, dich achten und dich lieben. Dann besitzt du in ihnen einen unwiderstehlichen Keil, die Feindschaft aller anderen zu zersprengen. Es ist so wenig um was ich dich für sie bitte: die Erlaubnis, die Geburt des Erlösers zu feiern, den ja auch die Mohammedaner verehren. Es ist also nicht etwa ein Vorzug den du den Christen damit erweisest; sie aber werden dir mit einem Mal dafür zu Helfern werden, auf die du dich verlassen kannst in jeder Not und auch in der jetzigen Gefahr!“
Die Antwort blieb, als ich gesprochen hatte, aus. Halef lächelte. Der Mir aber trat, wie schon früher, an das offene Fenster und schaute lange, lange in die Nacht hinaus. Er kämpfte einen stillen, aber schweren Kampf, den Kampf mit sich selbst, den Kampf mit seiner eigenen, niedrigen Anima, der es
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