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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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noch nicht gelungen war, sich zur Seele zu erheben. Es vergingen mehrere Minuten. Als er sich dann zu uns umdrehte, lag etwas wie ein Glanz auf seinem bleichen Gesicht. Er lächelte, und seine Stimme klang in fast herzlicher Güte:
    „Sihdi, was seid ihr doch für Menschen, ihr zwei! Ich erkläre mich für überwunden, und ich tue das gern, denn ich weiß, daß ich dadurch zum Sieger werde. Was ich zu tun habe, ist beschlossen; ich mache aber keine Worte. Seid ihr bereit, mir den Schlaf dieser Nacht zu opfern?“
    „Sehr gern!“ antwortete Halef schnell.
    „Ich werde sofort satteln lassen, eure beiden Pferde und auch eines für mich. Wir reiten. Wohin, das erfahrt ihr unterwegs. Ich verlasse euch jetzt, komme aber in kurzer Zeit wieder. Darf ich einen eurer Hunde oder zwei mit mir nehmen? Zu meinem Schutz, falls auf den finsteren Gängen da draußen noch Vorsicht geboten ist!“
    Halef befahl Hu und Hi, mit ihm zu gehen. Sie gehorchten. Als der Mir sich mit ihnen entfernt hatte, richtete der kleine Hadschi sich so hoch auf, wie er konnte, und sprach:
    „Effendi, was sind wir doch für unvergleichlich tüchtige Kerle! Wir sind erst einige Stunden da, und doch schon so ein Sieg! Ich gratuliere!“
    „Mach dich nicht lächerlich!“ widersprach ich ihm. „Was hast du denn für große Dinge getan? Und wer ist es, der mir versprochen hat, nicht mehr zu prahlen? Ja, es gibt einen, den wir bewundern müssen. Das bist aber nicht du, und das bin nicht ich, sondern das ist der Mir, der einen Sieg über sich selbst errungen hat, gegen den alle deine sogenannten Siege einfach weiter nichts als Niederlagen sind. Du magst mir noch soviel versprechen, so fällst du deiner Ruhmredigkeit doch immer wieder zum Opfer; er aber hat in einer einzigen Stunde mehr besiegt und mehr überwunden, als du während deines ganzen Lebens überwunden hast und noch überwinden wirst!“
    Wie gewöhnlich, wenn er sich blamiert fühlte, griff er auch hier zum Scherz, indem er mich mit den Worten des Mir abwies:
    „Schweig! Glaubst du, weil ich nachsichtig gegen dich gewesen bin, werde ich mir nun alles gefallen lassen? Ich zermalme dich!“
    Das klang so possierlich, daß ich so schwach war, zu lachen. Da fuhr er fort:
    „Allah sei Dank! Er lacht! Dadurch hat er sich gerettet, denn nun bin ich nicht mehr gezwungen, ihn zu zerschmettern! Effendi, sag: Wohin denkst du, daß wir reiten?“
    In dieser Weise pflegte er über jede Niederlage, die er erlitt, hinwegzugehen, und das Schlimmste dabei war, daß man ihm nicht zürnen konnte. Wohin der nächtliche Ritt gehen sollte, wußte und ahnte ich ebensowenig wie er, daß es aber ein sehr wichtiger sei, das konnte man sich wohl denken. Es blieb uns nichts anderes übrig als das, was kommen wollte, nun ruhig abzuwarten. Und es kam. Es war kaum mehr als eine halbe Stunde vergangen, als der Mir mit den beiden Hunden zu uns zurückkehrte. Er war so einfach gekleidet wie vorher und hatte einen Mantel mit Kapuze, wie ihn gewöhnliche Leute zu tragen pflegen, übergeworfen. Wer ihn nicht kannte, vermutete gewiß nicht, was für ein hochstehender Herr er war. Er führte uns in den Hof hinunter, in dem wir bei unserem Kommen abgestiegen waren. Dort standen unsere gesattelten Pferde. Wir untersuchten das Riemenzeug, und als wir alles in Ordnung fanden, stiegen wir auf und ritten mit dem Mir, gefolgt von unseren vier Hunden, zum Tor hinaus, welches hinter uns wieder geschlossen wurde.
    Es war eine finstere Neumondnacht. Der Himmel stand zwar voller Sterne, doch war ihr Licht nicht imstande, die Atmosphäre der großen Stadt zu durchdringen. Das Kirchenschloß stieg empor wie ein dunkles Rätsel, um dessen Ecken und Kanten wir biegen mußten, bis wir die von dem Mir beabsichtigte Richtung erreichten. Da stand zur Seite eines engen Gäßchens ein kleines Haus, auf welches der Mir deutete, indem er sagte:
    „Hier wohnte der nun tote Leutnant mit seiner Mutter und ihrem Bruder. Ich ließ sie einsperren, werde sie aber noch heut wieder entlassen. Es darf ihnen doch unmöglich schlimmer ergehen als dem Basch Islami, dem Haupttäter, der mir entkommen durfte. Der Bruder leugnete alles; er behauptete, nichts zu wissen. Seine Schwester aber gestand in ihrer Erregung um den Sohn, daß ich heut nicht etwa nur gefangengenommen, sondern erstochen werden sollte. Der neue Mir habe es befohlen.“
    „Der neue Mir?“ fragte ich. „Den gibt es also schon?“
    „Sie sagte es.“
    „Hat sie seinen Namen genannt?“
    „Ja.

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