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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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als ein Millionär. Bist du reich an Reue, so ist er reich an Gnade. In dieser deiner Reue bist du reicher als ein Fürst, der nichts bereut. Ich heiße dich willkommen. Tritt ein!“
    „Es sei!“
    Mit diesen Worten folgte der Mir der Aufforderung des Oberpriesters. Wir beiden andern kamen hinterher. Als der Basch Nasrani uns sah, fragte er:
    „Du bist nicht allein?“
    „Nein. Da sind noch zwei. Zwar keine so großen Sünder, wie ich, dafür aber die größten Bettler, die es gibt. Sie betteln sogar für dich! Nun komm!“
    Der oberste Pfarrer von Scharkistan verriegelte das Tor und führte uns nach dem Haus. Es mochte ihm nicht ganz unbedenklich erscheinen, daß es jetzt plötzlich drei anstatt nur eines Besuchers gab. Er hatte seine Lampe hinter der Tür des Hauses stehen. Dort angekommen, nahm er sie auf und leuchtete uns in eine Stube, welche der Empfangsraum zu sein schien. Da bat er, uns niederzusetzen.
    „Nein, setzen werden wir uns nicht“, antwortete der Mir. „Wir haben keine Zeit dazu.“
    Erst jetzt fiel das Licht der Lampe auf unsere Gesichter. Der Priester erschrak. Er erkannte uns sofort.
    „Der Mir, der Mir!“ rief er erschrocken aus, indem er die Lampe schnell wegsetzte, sonst hätte er sie fallen lassen. „Und seine Begleiter aus der Kirche?“
    „Ja, ich bin es, und sie sind es auch!“ antwortete er. „Ich wollte erst leugnen, in der Kirche gewesen zu sein. Das ist die Sünde, die ich dir zu beichten habe. Ich hoffe, daß du sie mir vergibst. Und hier ist Kara Ben Nemsi Effendi, ein christlicher Wanderer aus Dschermanistan. Er hat mir gesagt, daß in zehn Tagen das große Fest der Geburt des Heilands sei. Er wünscht dieses Fest mit den Christen meiner Länder zu feiern. Er hat mich gebeten, euch den großen Kuppelbau der Kathedrale dazu zur Verfügung zu stellen. Ich habe beschlossen, diesen Wunsch zu erfüllen. Ich liebte die Christen nicht. Darum gab es nur in Scharkistan einen Oberpriester, einen Basch Nasrani; der bist du. Du wohnst nur zuweilen als Gast, geradeso wie heut, in diesem meinem Land und in dieser meiner Stadt. Heut habe ich dich und mit dir euer Christentum geprüft. Ich ernenne dich zum Basch Nasrani von Ardistan und Gharbistan, so daß du nun der Oberpriester aller Länder bist, die ich unmittelbar regiere. Ich ersuche dich, heute nachmittag genau zur dritten Stunde in das Schloß zu kommen, um dich bei diesem Effendi hier zu bedanken und die Vorbereitungen zum Fest zu besprechen. Er ist leicht zu finden. Seine Zimmer liegen unmittelbar neben den meinen. Schlaf wohl!“
    Sobald er das gesagt hatte, ergriff er die Lampe und schritt schnell hinaus. Wir folgten ihm ebenso rasch, ohne uns nach dem Basch Nasrani umzusehen. Wir eilten mit der Lampe nach dem Tor, setzten sie dort nieder, schoben den Riegel zurück und traten auf die Straße. Erst als wir unsere Pferde bestiegen, hatte der brave geistliche Herr seine Überraschung überwunden und kam uns nachgerannt. Indem wir davonritten, hörten wir zwar seine Stimme, konnten aber nicht verstehen, was er sagte. Etwas Unangenehmes war es jedenfalls nicht!

DRITTES KAPITEL
    Weihnacht
    Während wir jetzt nun weiterritten, hörten wir den Mir einige Male halblaut vor sich hinlachen. Er war wohl bei guter Laune. Er freute sich über die Art und Weise, in der er den Oberpriester geprüft und dieser die Prüfung bestanden hatte. Er ritt uns um eine ganze Pferdelänge voraus, wohl um anzudeuten, daß er jetzt nicht sprechen wolle, sondern nachzudenken habe. Sein silberweißer Schimmel hatte ein unvergleichliches Kamm- und Schwanzbehänge. Er leuchtete uns förmlich wie ein führendes Märchenroß, dem wir zu folgen hatten, voran. Das ging so, bis die Stadt hinter uns lag. Wie groß sie war, ersahen wir daraus, daß wir trotz des schnellen, lebhaften Schrittes unserer Pferde über eine Stunde brauchten, um von ihrem Mittelpunkte, in dem der Schloßdom, lag an die Peripherie zu gelangen.
    Als dies geschehen war und die sich nun vereinzelnden Häuser von der Straße zurückzutreten begannen, wurde es Tag. Der Anblick, den er uns brachte, war ein für meine deutschen Augen erfreulicher. Wir kamen durch ununterbrochene Wein- und Obstgärten, an die sich später ein herrlicher, dichter Tschamwald (Tannenwald) schloß, der mir die Fiktion, daß ich in der Heimat sei, erleichterte. Der Anblick dieses Waldes war mir um so willkommener, als Tannen in jenen Gegenden äußerst selten sind. Zudem wird der geneigte Leser sehr bald erfahren,

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