Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Aber sie ist wahnsinnig. Daß ich ihren Mann habe hinrichten lassen, hat sie um den Verstand gebracht. Sie konspiriert seitdem gegen mich. Sie wagte in ihrer wahnsinnigen Rachsucht sogar das Leben ihres Sohnes. Und dann, als sie hörte, daß er tot sei, versuchte sie, sich dadurch an mir zu rächen, daß sie den einzigen Menschen, den ich bisher liebte, als den neuen Mir bezeichnete und also als den Bösewicht, der befohlen habe, mich heut zu töten. Sie ist verrückt!“
    „Darf ich erfahren, wer dieser Mann ist?“
    „Mein Schützling und Schüler, der ‚Panther‘, der zweite Prinz der Tschoban! Ist das nicht Wahnsinn?“
    „Wohl kaum!“ antwortete ich. „Die Mohammedaner stehen an der Spitze der Empörung, und er ist leidenschaftlicher Anhänger des Islam.“
    „Das hindert aber nicht, daß er mich aufrichtig liebt und mir treu und dankbar ist! Ich erkläre es für eine Verrücktheit, grad ihn, diesen Prachtmenschen, einer solchen Tat für fähig zu halten. Ich würde gar nicht anstehen, sogar auch dich für unheilbar irrsinnig zu erklären, falls du mir mit derartigen Verdächtigungen kämst!“
    „So schweige ich!“
    „Wie? Hattest du etwa die Absicht –“, dehnte er.
    „Ja“, gestand ich ein.
    „So rate ich dir, lieber still zu sein! Du könntest damit leicht alles verderben, was du gewonnen hast!“
    Das klang so kurz, so abgerissen, ja drohend, daß ich schwieg und mir vornahm, den Gegenstand nicht wieder zu berühren, außer wenn er selbst mich dazu veranlassen würde.
    Wir kamen aus dem engen Häusergewirr in einen Teil der Stadt, in dem die Gassen breiter waren. Da hielt er vor einem größeren Hause an, an dessen wohlverschlossenem Tor ein Läutebrett hing. Diese Bretter vertreten die Stelle unserer Klingeln. Sie sind sehr dünn und mit einem hölzernen Hammer versehen, mit dem man schlägt. Jedermann kennt den Ton seines Brettes und weiß also, sobald er erklingt, daß man zu ihm will. Der Mir gebot uns, abzusteigen und unsere Pferde in einiger Entfernung anzubinden. Wir taten dies. Dann traten wir an das Tor. Da läutete er, ohne daß er uns sagte, wer da wohne. Es war schon gegen Morgen. Alles schlief. Er mußte wiederholt läuten, ehe jemand kam und von innen nach unserem Begehr fragte.
    „Dies ist das Haus, in dem der Basch Nasrani von Scharkistan zu Gaste wohnt?“ erkundigte sich der Mir.
    „Ja“, antwortete der dienstbare Geist, der hinter dem Tor stand.
    „Ist er daheim?“
    „Er schläft. Er ist vor ganz kurzem aus der Kirche gekommen. Gönne ihm die Ruhe!“
    „Ich muß mit ihm sprechen!“
    „Warum? Ist es so wichtig, daß ich ihn wecken muß? Wer bist du? Vielleicht ein reicher, vornehmer Mann? Denn sonst würdest du es nicht wagen, den Obersten der Christen von Scharkistan um seine Ruhe zu bringen!“
    „Ich bin ein armer Mann, ein Bettler; ich kann nichts bezahlen. Aber ich habe gesündigt und muß meine Seele retten. Ich will beichten. Sag ihm das, weiter nichts!“
    „So warte!“
    Der Diener entfernte sich. Der Mir erklärte uns:
    „Jetzt wißt ihr, zu wem ich will. Zu dem Oberpriester von Scharkistan, der in der Kirche sprach und mich erkannte, als der Stern zu brennen begann. Ich prüfe ihn. Und indem ich ihn prüfe, prüfe ich die ganze Christenheit und die Lehre von der christlichen Liebe. Darauf, ob er sich im Schlaf stören läßt, soll es ankommen, ob ich deinen Wunsch erfülle und den Christen erlaube, das ‚Fest der Geburt‘ in ihrer Weise zu feiern. Warten wir!“
    Man kann sich denken, wie gespannt ich auf das Resultat dieser Prüfung war! Wir hörten nach kurzer Zeit wieder Schritte, die sich näherten, und eine andere Stimme fragte von innen:
    „Bist du noch da?“
    „Ja“, antwortete der Mir, indem er dicht an das Tor trat, um zunächst nur sich allein sehen zu lassen.
    „Ich öffne gleich!“
    „Ist er zu sprechen?“
    „Natürlich, ja! Ich bin nicht der Diener, sondern der Priester selbst. Er weckte mich.“
    „Und da standest du sofort auf?“
    „Sofort!“ erklärte der Basch Nasrani, indem er halb aus dem sich jetzt öffnenden Tor trat. „Du befindest dich in Seelennot. Das ist die höchste Not, die es gibt. Du willst beichten. Beichten heißt, mit dem Erlöser sprechen. Was wäre das für ein Heiland, für ein Erlöser, der weiterschlafen könnte, wenn er Seelen retten soll!“
    „Aber ich bin arm; ich bin ein Bettler!“
    „Vor Gott sind wir alle Bettler! Vielleicht bettle ich mehr als du! Vor Gott kann ein Bettler reicher sein

Weitere Kostenlose Bücher