25 - Ardistan und Dschinnistan II
Mensch ist seines Lebens sicher. Er haßt den Frieden. Wohin du schaust, fließt Blut. Wir haben ihn gebeten; er lachte. Wir haben ihn gewarnt; er spottete. Wir haben ihm gedroht; er höhnte. Seine Härte wuchs; seine Grausamkeit stieg über alle Grenzen. Wir trugen es, denn wir hatten ihm Treue geschworen. Und wir hofften, daß Allah sich unser erbarmen und das Herz des Tyrannen endlich, endlich einmal rühren werde. Aber dieser Wunsch erfüllte sich nicht, sondern es geschah das Gegenteil. Der Mir fing Händel an mit dem Mir von Dschinnistan, dem gütigsten und weisesten Herrscher aller Völker und Reiche, die es gibt. Er erklärte ihm den Krieg. Das ist wahnsinnige Vermessenheit. Wir sehen unseren Untergang vor Augen. Wir müssen uns retten und können dies nur dadurch tun, daß wir ihn von der Stelle entfernen, an der er steht.“
Der Basch Islami machte hier eine Pause. Dies benutzte ich, ihn zu fragen:
„Wer sind diese ‚wir‘, von denen du sprichst? Du meinst dich nicht allein?“
„Nein. Ich vertrete nur die Mohammedaner des Landes. Doch stehen an meiner Seite auch die Obersten der anderen Religionen.“
„Der Christen?“
„Nein, diese nicht. Die Christen sind wie die Hunde, die dem, der sie martert, die Hand noch lecken. Sie behaupten, Gott habe den Mir eingesetzt; darum bleiben sie ihm treu! Aber wir Mohammedaner zählen nach Millionen, die Buddhisten ebenso und die Lamaisten noch viel mehr, die Andersgläubigen gar nicht mitgerechnet. Wir sind gegen den Mir zusammengetreten, um ihn abzusetzen und einen anderen Herrscher zu wählen. Die Ereignisse sind uns günstig. Seine besten Truppen hat er nach Norden gegen den Mir von Dschinnistan gesandt, und von Süden kommen die Scharen der Ussul und Tschoban herangezogen, um die Hauptstadt zu berennen. Das Heer der Dschunub, auf welches er rechnete, wurde von euch vernichtet und zerstreut. Und nun kommt ihr beide selbst nach Ard, ohne euch vor ihm zu fürchten. Das erschien uns der geeignete Augenblick, den längst beschlossenen Schritt zu tun. Wir erfuhren, daß der Mir hierher zu euch gegangen sei. Wir befahlen der Wache, die zu uns hält, ihn hier gefangenzunehmen –“
„Ah! Bei uns!“ unterbrach ich ihn.
„Ja, bei euch!“
„Er sollte getötet werden?“
„Einstweilen nur verschwinden.“
„Und wir? Was sollte mit uns beiden geschehen?“
„Das hatte sich noch zu finden!“
„Nein, nicht zu finden, sondern es war beschlossene Sache! Der Mir sollte bei uns überfallen und getötet werden. Uns wollte man als seine Mörder bezeichnen. Dann wehe uns beiden ehrlichen, unschuldigen Menschen! Gott aber verhütete diese Tat. Als die Mörder kamen, fanden sie diese Stuben nur von den Hunden besetzt. Wir waren mit dem Mir in der Kirche. Der Gottesdienst der Christen hat ihm also das Leben und den Thron gerettet. Euer Plan war überhaupt nicht wohlüberlegt. Ihr hattet nicht mit den Hunden gerechnet. Und wenn eure ganze Wache nochmals käme, ich ließe die Kerle alle zerreißen, vom ersten bis zum letzten! Es sind aber nur vier gekommen, nicht um uns zu überfallen, sondern um auszukundschaften, wie es stehe. Sie haben es mit dem Leben bezahlt! Und was wird mit dir?“
Er sah mir mit einer geradezu verblüffenden Offenheit und Ehrlichkeit in das Gesicht und antwortete:
„Nichts wird mit mir! Ich glaube an dich! Du wirst dem Mir nichts sagen!“
„Allerdings nicht! Ist auch nicht nötig, denn er weiß es schon!“
„Er weiß es?“ fuhr er erschrocken auf. „Von wem?“
„Von dir. Er hat es gehört. Er sitzt da draußen in der Nebenstube!“
Kaum hatte ich das gesagt, so wurde die Gardine geöffnet, und der Mir trat ein. Sein Gesicht war nicht nur bleich, sondern todesbleich. Seine Augen flimmerten; seine Lippen zitterten; seine Hände bebten.
„Woher weißt du, daß ich hier bin?“ fragte er mich, wobei seine Stimme vor Aufregung ganz rauh und heiser klang.
„Die Hunde verrieten dein Kommen“, antwortete ich. „Sofort als du leise kamst, noch ehe du in das Zimmer tratest, sagte mir das leise Wedeln ihrer Schwänze, daß derjenige nahe, der sie gefüttert hat.“
„Und trotzdem gabst du ein Versprechen, welches du unfähig bist, zu halten?“
„Wieso? Ich pflege nichts zu versprechen, was ich nicht halten kann. Ich habe versprochen, dir nichts zu sagen!“
„Scherze nicht auch noch! Das war dein erstes Versprechen. Du gabst aber noch ein anderes; das lautete: Was dieser Hund, dieser Empörer, dieser Verräter und
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