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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Erden gibt!“
    „Mich entstellt es? Mich?“ fragte er. „Wieso mich?“
    „Weil du der Herrscher bist, der Mir, auf dessen Willen man alles wirft, was der Unverstand der Andersgläubigen, der Empörer, verschuldet.“
    Es war Berechnung von mir, daß ich mich dieses letzteren Wortes bediente. Es wirkte sofort. Er fragte schnell, indem seine Augen blitzten:
    „Der Empörer?“
    „Ja“, antwortete ich. „Oder sind sie es nicht? Wer hat dich und deine Vorfahren überredet, das Bildnis dessen, dem alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, unter Filz und Pappe zu verstecken? Sind es nicht dieselben, die dich jetzt entthronen und zur Figur aus Filz und Pappe machen wollen?“
    „Allah 'l Allah!“ rief er zustimmend aus.
    „Du hast dir diese Verräter und Mörder großgezogen, indem du die, welche dir treu waren, verkleinertest und entmanntest. Das kann und darf dir die Weltgeschichte nicht vergeben. Sie wird und muß es dir in dein Konto zeichnen, außer du legst noch zur rechten Zeit die Faust auf den rechten Platz! Schau diese Menge grüner, duftender Bäume, die bis empor zur höchsten Empore steigen! Dein Wald kam in die Kirche, um den Heiland der Welt zu feiern. Und du? Welchen erhabenen Anblick wird es bieten, wenn die Zünder von Licht zu Licht zur Kuppel steigen und auch dort oben das Firmament entflammen! Wie tief und froh bewegt werden alle Herzen sein! Und wie enttäuscht, wie zornig werden dann die Blicke auf den plumpen Balg, auf den steifen Mantel niederfallen, den man nicht etwa nur diesem Hochaltar, sondern auch deinem Ruhm, deiner Ehre aufgezwungen hat! Die Diplomaten werden von dir sagen: ‚Er bedrückte die Würdigen und machte sich zum Werkzeuge der Unwürdigen!‘ Die Künstler werden sagen: ‚Er besaß weder Sinn noch Geschmack. Für ihn war das Schöne häßlich und das Häßliche schön. Eine Scheuche von Filz unter strahlenden Weihnachtsbäumen, das bot er den – ‘“
    „Halt!“ unterbrach er mich. „Geh nicht weiter, ja nicht weiter! Und wenn du recht hast, tausendmal recht, so hast du doch nicht das Recht, es mir zu sagen! Ich kann dich zertreten, wenn ich will! Glaubst du, daß es mir –“
    Da wurde er unterbrochen, wie er mich unterbrochen hatte. Seine Kinder hatten im Lauf der vergangenen zehn Tage den kleinen Halef liebgewonnen und sich auch jetzt, als sie kamen, sofort an ihn gemacht. Er hatte in der ihm eigenen, drolligen, aber schlau berechneten Weise sogleich etwas auf das Tapet gebracht, worüber sie sich freuten. Sie schlugen die Hände zusammen und lachten vor Vergnügen so laut, daß sie ihren Vater dadurch störten. Er hörte mitten in seiner Rede auf und fragte:
    „Warum so laut? Worüber freut ihr euch?“
    „Über das Läuten“, antwortete der größere Knabe.
    „Läuten? Wieso?“
    „Wir werden läuten!“
    „Was?“
    „Die große Glocke! Die allergrößte! Nicht wahr, lieber Vater, du erlaubst es uns?“
    Der Mir war erst still. Dann warf er einen bezeichnenden Blick auf Halef und antwortete:
    „Das wird wohl auch nichts anderes als so eine Art von Verschwörung sein! So große Glocken können nicht von Kindern geläutet werden!“
    „O doch!“ behauptete der ältere Knabe. „Dieser Hadschi Halef Omar weiß genau, wie man es macht!“
    „Der weiß es nicht! Der lügt!“
    „Oho!“ rief Halef. „Wer kann mir eine Unwahrheit beweisen? Ich war auf dem Turm, ganz oben, um einen Blick rund auf die ganze Stadt zu werfen. Ich habe auch die Glocken gesehen, oben die gewöhnlichen, und weiter unten die ganz große. Diese letztere kann nicht auf die gewöhnliche Weise geläutet werden; sie ist zu schwer dazu. Sie wird von einem Klöppel angeschlagen, den ein Räderwerk bewegt, dessen Gewichte im Inneren des Turms von hoch oben bis tief zur Erde niederhängen. Wenn die Räder gut geölt sind, so geht das Uhrwerk so leicht, daß die Gewichte, trotz ihrer Schwere, von Kindern aufgezogen werden können.“
    „Hörst du es?“ fragte der kleinere Knabe seinen Vater. „Wir ziehen die Räder auf!“
    „Erst schmieren wir sie!“ riet das größere Töchterchen, um ihre Überlegenheit zu zeigen. „Der Vater gibt uns Öl; dann läuten wir!“
    „Wir läuten; wir läuten! Die große Glocke, die allergrößte!“ jubelte das Nesthäkchen, indem es die kleinen, quatscheligen Hände zusammenschlug.
    Der Mir machte ein sehr unentschiedenes Gesicht. Er kämpfte zwischen Zorn, Verlegenheit und Liebe. Er wendete sich an mich:
    „Das kommt euch wohl so

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