25 - Ardistan und Dschinnistan II
Und auf die wenigen wirklich Bekannten, die es hier gab, konnte man sich verlassen; die verrieten nichts!
Als ich ihnen meinen Plan mitteilte, daß sie zur Orgel singen sollten, gingen sie beide sofort hierauf ein, und zwar mit Freuden. Der Oberpriester aber geriet gar in helle, lodernde Begeisterung, als ich ihn darauf aufmerksam machte, daß durch die persönlichen Namen der beiden Sänger und durch den Orgelklang die alte, in aller Munde lebende Weissagung genau wörtlich in Erfüllung gehe. Er wäre am liebsten aufgesprungen und hinausgerannt, um es aller Welt sofort zu verkünden; ich aber mahnte ihn, ja noch zu schweigen, weil der Mir das jetzt auf keinen Fall schon erfahren dürfe. Er mußte sich ganz unbedingt vor die vollendete Tatsache gestellt sehen, sonst stand zu befürchten, daß alles verdorben werde und aus dem Fest eine Erniedrigung anstatt Erhebung des Christentums hervorgehe. Ich stellte die Forderung, daß kein Mensch jetzt von dieser Erfüllung der Verheißung zu sprechen habe und daß der Mir ganz allein nur von mir über sie unterrichtet werden dürfe. Der Oberpriester ging nebst Abd el Fadl und seiner Tochter hierauf ein.
Die beiden wichtigen Fragen, die es nun gab, lauteten: Was sollen Abd el Fadl und Merhameh singen? Und in welchem Zustand befindet sich die Orgel? Was die erstere Frage betrifft, so entwarf selbstverständlich der Basch Nasrani das Programm des dreitägigen Gottesdienstes. Abd el Fadl wählte einen dschinnistanischen Lobgesang auf Gottes Güte und Barmherzigkeit, den ich auf der Orgel zu begleiten hatte. Da ich diesen Gesang, der ein zweistimmiger war, nicht kannte und es auch keine Noten gab, mußte ich ihn mir vorsingen lassen, um ihn aufzuschreiben und die Begleitung hinzuzufügen. Hierzu war ein anderes, kleineres Instrument nötig als die große Orgel. Ich beschloß, den Mir hierzu um sein altes Regalharmonium zu bitten, zumal ich mich ja auch wegen der Orgel an ihn zu wenden hatte, die mir ganz unmöglich ohne seine besondere, ausdrückliche Erlaubnis zur Verfügung stehen konnte. Ihm diese Wünsche mitzuteilen, nahm ich die nächste, passende Gelegenheit wahr. Ich hatte ihm eine Berechnung vorgelegt, die sehr zu seinem Vorteil sprach. Darüber freute er sich. In dieser Freude versicherte er mir, daß er für das Fest alles sehr gern tun werde, was er tun könne, ich solle nur wünschen und bitten. Das tat ich denn sofort. Er hörte mich an und freute sich darüber, mir die beiden Wünsche erfüllen zu können.
„Ich werde die Schlüssel zu der großen Orgel suchen lassen und sie dir geben“, sagte er. „Spiel, was du willst, und wenn sie dabei zugrunde geht! Sie stammt von unserem Feind, dem alten Abd el Fadl! Ich bin neugierig, wie sie klingt. Und weißt du: Ich werde öffentlich verkünden lassen, daß sie an allen drei Tagen und Abenden gespielt wird. Das zieht viele Tausende herbei! Und ein Märchenerzähler mit seiner Tochter soll singen! Haben die Christen keine anderen, besseren Sänger? Ich will dir gern meine kleine Orgel dazu borgen; aber in deine Wohnung bekommst du sie nicht, sondern du mußt mit den beiden Personen in die meine kommen.“
Ich gestehe, daß ich in diesem Augenblick eine sehr wohl erlaubte Abart jener Freude empfand, von der man scherzhaft zu sagen pflegt: „Die Schadenfreude ist die reinste Freude.“ Also sein Feind Abd el Fadl sollte zu ihm kommen! Als ich es diesem sagte, war er sofort einverstanden; es wurde ausgeführt. Wir gingen zum Herrscher, bekamen die ‚Musik‘ geliehen, spielten und sangen, und der Mir hörte zu. Beim nächsten Mal holte er auch Frau und Kinder. Als wir gesungen hatten, durfte nur ich mich entfernen. Der angebliche arme Märchenerzähler aber mußte mit seiner Tochter bleiben, um Sagen und Märchen zu erzählen. Es versteht sich ganz von selbst, daß er dies nur tat, um auf den Mir und seine Kinder veredelnd zu wirken. Schließlich durfte er gar nicht wieder fort, sondern er bekam mit seiner Tochter im Schloß eine Wohnung angewiesen.
So kam das Fest an jedem Tag näher. Die Spannung wuchs. Die Zahl der Bäume, die der Mir verkauft hatte und noch immer verkaufte, war bereits Legion. Zu jedem Baum gehörte ein Fuß, der eigens bezahlt werden mußte. Die verkauften Lichter, Figuren und sonstigen Schmuckgegenstände zählten nach Millionen. Und doch wollte das noch nicht reichen. Wir konnten nicht genug liefern. Dabei wurde das Geld alle. Einige kluge, voraussichtige Köpfe hatten das geahnt und sich
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