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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Oberpriester vorausgesagt hatte, war eingetroffen. Es hatten sich aus Ardistan, Gharbistan und Scharkistan Hunderttausende von Pilgern eingestellt, welche nur zum geringsten Teile in der Stadt, dann aber draußen im Freien untergebracht werden konnten. Diese Fremden waren nicht alle Christen. Es befanden sich auch viele unter ihnen, die nicht von ihrer Religion, sondern von ihrer Wißbegierde herbeigetrieben worden waren. Da dieser Umstand sehr leicht zu Streitigkeiten oder noch gar Schlimmerem führen konnte, hatte der Mir bekanntmachen lassen: Wer die Heiligkeit des Festes durch Unfrieden störe, werde unbedingt erschossen, er sei, wer er immer sei. Man kannte ihn nur zu gut. Man wußte, daß er gegebenen Falles keinen Augenblick zögern werde, diese Drohung auszuführen, und so ist es mir glücklicherweise möglich, schon jetzt im voraus zu berichten, daß sie vom besten Erfolg gewesen ist. Große Verstöße kamen nicht vor, und kleine, gewöhnliche Zwiste, die es stets gab und immer geben wird, wurden mit Hilfe der Freiwilligenpolizei sehr schnell geschlichtet.
    Was die Orgel betrifft, so hatte ich sie vollständig intakt, aber außerordentlich verstaubt gefunden. Sie war in Indien von einem Engländer gebaut und hatte ein Pedal, zwei Manuale und vierundzwanzig Register. Abd el Fadl wußte gar wohl, aus welchem Grund sein Vater und der vorige Mir übereingekommen waren, sie hier aufzustellen, da er aber nicht freiwillig darauf zu sprechen kam, hielt ich mich nicht für befugt, danach zu fragen. Der Lobgesang den er mit seiner Tochter vorzutragen hatte, war die Komposition eines der ersten Gesangsmeister von Dschinnistan, ein ernstes, herrliches, tief ergreifendes Stück. Nur schade, daß ich es nicht kannte und daß mir nur die beiden, nach dem Gehör geschriebenen Singstimmen zur Verfügung standen, es für Orgelbegleitung zu arrangieren! Es hat dadurch jedenfalls unendlich gelitten, doch darf ich zu meiner Entschuldigung, wohl sagen: Ich kann nichts dafür!
    Und nun zur Hauptsache, dem Hochaltar. Er war seit Menschengedenken verhüllt gewesen, und man weiß ja wohl bereits, was für Mythen und Hoffnungen sich an seine Enthüllung knüpften. Wie gern hätten wir die letztere herbeigeführt, aber als der Oberpriester sich den Mut nahm, dem Mir gegenüber nur eine leise Andeutung zu machen, fuhr dieser zornig auf und verbot sehr streng, diesen Gegenstand wieder zu berühren. Das war zwar gleich in den ersten Tagen gewesen, und die Gesinnung des Herrschers hatte sich seitdem ganz bedeutend geändert, aber dennoch hatte es bis heute noch keiner von uns für angebracht gehalten, die Bitte zu wiederholen. So hatten wir die Kirche zwar auf das reichlichste mit Weihnachtsbäumen und grünen Zweigen ausgeschmückt, aber dieser Schmuck machte uns eigentlich keine Freude. Auch rechts und links von dem prächtigen Orgelgehäuse stieg ein Wäldchen von Tannen auf, in deren Licht die blanken Pfeifen funkelten; aber der häßliche Papp-, Latten- und Filzüberzug des Hochaltares wirkte wie ein großer, grauer Klecks im künstlerisch vollendeten Gemälde und bildete vor allen Dingen auch in rein religiöser Beziehung einen Schandfleck, der kaum zu ertragen war. Das ärgerte uns auch jetzt, als wir in die Kirche kamen. Es war eine ganze Schar von Menschen beschäftigt, ihr ein weihnachtsfestliches Aussehen zu verleihen, und diese Bemühungen waren vom prächtigsten Erfolg gekrönt; leider aber sahen wir diesen Erfolg durch die entstellende Tüte, die man über den Hochaltar gestülpt hatte, völlig in Frage gestellt. Wir sprachen die Angelegenheit noch einmal ernstlich durch und kamen zu dem Resultat, daß uns doch nichts anderes übrigbleibe, als jetzt, in letzter Stunde, noch einmal eine Bitte an den Mir zu wagen. Wir beschlossen soeben, dies sofort zu tun, da sahen wir ihn durch ein Nebenportal treten. Er kam mit Frau und Kindern, um unser Werk und die Ausschmückung des Altanes zu betrachten, auf dem er mit seinem ‚Hofstaat‘ Platz zu nehmen hatte. Er war hoch zufrieden. Es sah aus, als sei dieser Altan für einen mächtigen, prachtliebenden König oder Kaiser bestimmt. Er lächelte und sagte, indem er zu mir kam:
    „Dazu gehört wohl mein Herrschergewand, in dem du mich zum ersten Mal sahst!“
    „Um Gottes willen!“ entfuhr es mir. Aber in voller Absicht fügte ich hinzu: „Das würde dich ebenso entstellen, wie dich der Filzhut entstellt, unter dem man dort das Allerheiligste und Schönste verbirgt, was es auf

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