25 Stunden
vorgebeugt. »Ich hab vielleicht ein Glück... stimmt's? Die erste Frau, die ich treffe... in einem Monat, außerhalb des Büros, und sie... hat einen Freund und einen Pitbull. Oh, Gott. Gut... Mir geht's gut. Einen Freund und einen Pitbull. Und ich kann nicht mal mit ihr mithalten!« Er lacht wieder, sieht Naturelle kopfschüttelnd an. »Tut mir Leid. Ich komm nicht oft raus. Die sperren uns da hundert Stunden die Woche weg.«
»Sorry wegen Doyle«, sagt Naturelle, wendet sich ab und läuft weiter.
»Hey!«, ruft der Mann ihr nach. Naturelle dreht sich um die eigene Achse und läuft rückwärts weiter.
»Sind Sie Italienerin?«, fragt er.
Naturelle schüttelt den Kopf. »Puerto-Ricanerin.«
»Oh. Alles klar.« Er denkt einen Moment nach. »Aber Sie sind katholisch, nicht?«
»Ja.« Naturelle ist jetzt fünfzehn Meter weiter weg, Doyle neben sich. Der Banker verschwindet im Schnee.
»Wie heißen Sie?«
»Maria.«
»Wünschen Sie mir Glück bei dem Rennen, Maria!«, ruft er ihr nach. »Dass ich nicht sterbe oder so.«
»Viel Glück!«, ruft sie und läuft wieder vorwärts. »Und du«, sagt sie zu Doyle, »bist ein böser Hund. Lass mich noch mal so hängen, und ich tret dir in deinen kleinen schwarzen Hintern.«
Sie laufen weiter durch den Schnee. Naturelles Atem geht leicht, ihre kleinen Füße schlagen einen gleichmäßigen Rhythmus. Vor zwei Jahren ist sie den Marathon mitgelaufen. Ein schöner Tag. Die halbe Stadt hat ihr und ihren Mitläufern dabei zugesehen, wie sie durch die fünf Boroughs gelaufen sind, und alle haben sie gejubelt. Es war kein Wettlauf, das war das Schöne daran. Von den Profis einmal abgesehen, hat sich niemand darum geschert, auf welchen Platz er kommt; das Ziel ereichen, darum ging es. Als sie zu Abertausenden die Verrazano überquerten, hat Naturelle sich zum ersten Mal im Leben dieser Stadt wirklich zugehörig gefühlt.
Auf den letzten Kilometern des Rennens hat sie, als sie gerade die 86*h Street in Manhattan überquerten, nach Monty Ausschau gehalten, der dort hatte warten wollen. Kein Monty. Sie suchte die Menge nach seinem blassen Gesicht ab, aber er war nirgendwo zu finden. Und während sie weiterlief, wurde ihr klar, dass er sich einfach einen Scheiß für so etwas interessierte. Sie hatte seit fünf Monaten trainiert, war jede Woche hundert Kilometer gelaufen und hatte eine Spezialdiät zur Reduzierung ihrer Fett- und Zuckerzufuhr angefangen - was das Schlimmste gewesen war. Dass Naturelle gern naschte, hatte sie von ihrem Großvater geerbt, der als junger Mann in die Bronx gekommen war und nach wie vor als Krankenpfleger im Mount Sinai Hospital arbeitete. Mindestens dreimal am Tag brauchte sie ihre Dosis: schwarze Lakritze, weiße Schokolade, Weingummi-Colaflaschen, Erdnussbuttereis, Makadamiakekse, Kokosflocken, Rumkugeln, Geleeorangen, Halwa - alles, was gut war. Fünf Monate lang hatte sie sich ihr geliebtes Naschzeug verkniffen, fünf Monate lang ganz spartanisch von Pflaumen, Feigen, Nektarinen und vor allem Bananen gelebt. Naturelle würde eine Banane nie ohne ein Seufzen schälen können. Wie konnte irgendjemand ernsthaft auf Bananen stehen? Aber sie hatte sich die Mühe gemacht, sie hatte es geschafft, und am Tag des Marathons hielt sie durch, die Figur perfekt, die Puste gut, die Beine wunderbar am Pumpen. Während der Mann, mit dem sie zusammenlebte, der Mann, der sie zu lieben behauptete, in ihrem großen Bett am Pennen war oder leise in sein Handy quatschte oder zusah, wie irgendwelche Zeichentrickkatzen und -mäuse einander durch quietschbunte Häuser jagten.
Sie war stinksauer auf ihn, bis zur 81s* Street, als sie hörte, wie er ihren Namen rief; als sie sich umsah, kam er hinter ihr hergelaufen.
»Himmel, hast du mich nicht gehört? Wie viele Naturelles gibt's denn, verdammt?«
Eine Gruppe Zuschauer am Straßenrand fing zu lachen an, und Monty starrte sie an und schmunzelte dann selbst. Er hatte ein weißes T-Shirt und Jeans an und sah aus, als ginge er noch zur High School. Sie joggten Schulter an Schulter.
»Hunger? Hier.« Er hatte eine Orange geschält und in Viertel geteilt; drei angematschte Stücke hielt er ihr hin. »Eins hab ich gegessen«, sagte er. Naturelle lachte und aß sie aus seiner Hand. »Gut«, sagte er. »Du bist schon fast zu Hause. Denk immer daran: eine Stunde, und wir nehmen ein heißes Bad. Bis nachher im Park, ja?«
»Ja?«
»Scheiße, zweiundvierzig Kilometer. Du hast ein Rad ab.« Er schlug ihr sanft auf den Hintern, und
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