25 Stunden
sie lief weiter, ihr Gaumen süß vom Orangensaft.
Ein schöner Tag. Später saßen sie in der Wanne, und Monty massierte ihr die Waden, während sie mit geschlossenen Augen dalag. Das heiße Wasser, Montys Hände, Aretha Franklin im Radio... Naturelle schmunzelt, als sie daran denkt, dann lacht sie laut auf, weil ihr klar wird, wie anstrengend es für Monty gewesen sein muss, dermaßen lieb zu sein. Er hat nicht lange durchgehalten, er hat ihr Bein aus dem Wasser gehoben und ist mit dem Finger die puertoricanische Flagge entlanggefahren, die sie auf ihren Knöchel tätowiert hat.
»Nicht das schon wieder«, murmelte sie, um ihm zuvorzukommen.
»Du bist in Amerika zur Welt gekommen, du hast dein ganzes Leben in Amerika verbracht, du bist zweimal in Puerto Rico gewesen, im Urlaub. Was soll das? Soll ich mir eine irische Flagge auf den Arsch tätowieren lassen, bloß weil meine Großeltern da herkommen?«
»Du hast gar nicht genug Platz auf deinem Arsch für eine Tätowierung.«
»Ach, so ist das?« Er stach sie in die Rippen. »Tatsache, ja?«
»Du mit deinem kleinen dürren weißen Arsch«, sagte sie und kniff ihn verächtlich hinein.
»Wenn man uns beide so ansieht, werden unsere Kinder genau richtig sein.«
Monty machte immer Witze über ihre zukünftigen Kinder, Naturelle nicht. Sie konnte sich Monty nicht vorstellen als Vater. Dass er jemanden schwängerte, das konnte sie sich vorstellen, aber nicht, dass er Vater war. Die Vorstellung, dass Monty mit einem Kleinkind auf den Schultern durch den Park spazierte, war lachhaft, unmöglich.
Naturelle und Doyle sind mit ihren Runden fertig und laufen in östlicher Richtung vom Reservoir weg. An der Fifth Avenue zieht sie die Leine aus der Jackentasche, aber Doyle macht einen Schlenker. Naturelle weiß, was dieser Schlenker bedeutet; sie zieht einen Plastikbeutel aus der Jackentasche und wartet. Unten auf einen Latemenpfahl ist der Name SANE SMITH gesprüht, und ihr fällt wieder ein, was Monty gesagt hat, dass Sane Smith tot sei, im East River ertrunken.
Als Doyle sich hinsetzt und den sauberen Schnee am Straßenrand verunreinigt, vermeidet er es, sie anzusehen; er schämt sich anscheinend immer ein bisschen, wenn er sein Geschäft verrichtet. Naturelle fragt sich, ob Doyle als schamhafter Hund auf die Welt gekommen ist oder ob ihm seine Vorbesitzer diese Schamhaftigkeit eingeprügelt haben. Bis zum heutigen Tag duckt er sich weg, wenn jemand Fremdes ihn streicheln will.
Als das Ritual vollzogen ist, joggen sie weiter zur Lexington Avenue, wo Naturelle den Hund an den Pfosten eines Münztelefons bindet und das Papaya King betritt. »Hey, Luis. Einmal Kokosnuss-Champagner, bitte. Groß.«
An ihrem Strohhalm kauend, sitzt Naturelle auf einem Hocker und schaut durch die Glastür. Doyle wartet im Schnee und besieht sich traurig die Passanten. »Eine Minute nur, Doyle«, flüstert sie. Naturelle nimmt kleine Schlucke von ihrem süßen Drink und sieht zu, wie der schwarze Hund in der Kälte zittert.
9
Mit zweiundzwanzig hätte Monty beinahe geholfen, den Filmstar Billy Marr zu ermorden. Monty hatte Kostya einen Monat vorher kennen gelernt, beim Abendessen in einem von Uncle Blues Restaurants in Brighton Beach. »Von jetzt an«, hatte Uncle Blue gesagt und sich den Bart mit einer roten Stoffserviette abgewischt, »arbeitet ihr beiden zusammen.« Er hat nie erklärt, warum er eine solche Zusammenarbeit für eine gute Idee hielt oder wie sie sich ihre Arbeit aufteilen sollten. Monty hatte Kostya zunächst nicht leiden können, es hatte ihn genervt, dass dieser Klotz ständig Witze reißen und große Sprüche klopfen musste, dass er sich einen antrank und dann auf der Straße Lieder von Bruce Springsteen zum Besten gab oder vor einer heruntergekommenen Kellnerin auf die Knie fiel und russische Gedichte deklamierte. Aber Kostya hatte Monty noch am ersten Abend »Freund« genannt; er ignorierte Montys schlechte Laune; er klopfte Monty weich mit seiner Gewissheit, dass sie dazu bestimmt waren, Kameraden zu werden. Monty wusste, dass der Ukrainer gefährlich war - im Türkischen Bad hatte er eines Abends die grobe Narbe gesehen, die auf Kostyas Bauch prangte, und Kostya war der Einzige, den er kannte, der tatsächlich mit einer Automatik unterm Kopfkissen schlief —, aber er brauchte jemand Gefährliches an seiner Seite. Monty allein war ein zu leichtes Ziel. Es gab Hunderte von sugar bandits in New York, Leute, die ihr Geld damit verdienten, dass sie Dealer
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