25 Stunden
Papiertüte, die verschreibungspflichtige Schmerzmittel und Ecstasy-Pillen enthielt. Am nächsten Tag wurde er offiziell »vom Schulbetrieb ausgeschlossen« und auf Dauer des Schulgeländes verwiesen. Alle Eltern erhielten einen Brief, in dem ihnen dringend empfohlen wurde, ihren Kindern den Umgang mit Montgomery Brogan zu untersagen. Da sein Datensatz noch nicht deaktiviert worden war, ging ein solcher Brief auch an Mr. Brogan, der prompt nach Manhattan fuhr und dem Direktor mit einem Anwalt oder einer Tracht Prügel oder beidem drohte, weil er sich absolut nicht vorstellen konnte, dass sein Sohn ein Krimineller sein sollte.
Eine solche Aufregung hatte es auf der Campbell-Sawyer seit Jahren nicht gegeben, genauer gesagt seit dem Tag nicht, an dem man den Leiter des Fachbereichs Geschichte auf dem Klo bei Fellatiospielchen mit dem Herausgeber des Jahrbuchs erwischt hatte, aber falls Monty beunruhigt war, so zeigte er es jedenfalls nicht. Er versuchte nie herauszufinden, wer ihn verpfiffen hatte - wozu auch? Er räumte sein Schließfach leer, sagte tschüs und ging.
Zu dem Zeitpunkt, als seine. Freunde mit ihren Quadrathüten und schwarzen Gewändern am Podium vorbeizogen, hatte Monty in Yorkville ein Apartment angemietet, fuhr eine geleaste Corvette und verdiente genug Geld, um für seine Ex-Klassenkameraden in einem edlen Club vierzig Stockwerke über der Straße die verschwenderischste Abschlussparty des Jahres zu schmeißen. Bauchtänzerinnen strichen an den befrackten jungen Männern vorbei. Monty schlenderte von Raum zu Raum, an seiner Seite die schönste Sechzehnjährige von ganz Bensonhurst, eine Brünette mit blauen Augen, deren Vater und Brüder allesamt Polizisten waren und glaubten, dass man Monty gerade an der Columbia angenommen hatte.
Unter den Teenagern, die an jenem Abend dort versammelt waren und sich schon auf einen Sommer voller Strandpartys und Bong-Sessions freuten, bevor es aufs College ging, war Monty bereits eine Legende, ein cooler Draufgänger. Alle kannten sie die Geschichten: wie er einmal über die U-Bahngleise gelaufen war, um ein Mädchen auf dem anderen Bahnsteig zu küssen; wie er auf dem Basketballcourt einmal einen gegnerischen Spieler umgenietet hatte (in den späteren Versionen brach Monty ihm mit einem einzigen Faustschlag den Unterkiefer); wie er einmal die Französischlehrerin, Mlle. Cendrars, verführt und sie nackt und schnurrend im Sprachlabor liegen gelassen hatte (ein Märchen, das auf Jakob Elinsky zurückgeht, der einen Großteil seines letzten Jahres masturbierend auf dem Klo der Bücherei zugebracht hat, aber sich nicht einmal in seiner Fantasie dazu durchringen konnte, es mit der Französin selbst zu treiben).
Die Party wurde legendär. Wenn Monty einem Ehemaligen von der Campbell-Sawyer über den Weg läuft, kommt der garantiert auf diese Nacht und die Bauchtänzerinnen zu sprechen. »... und wer war noch mal diese Kleine, diese Brünette? Mensch, wo ist die bloß abgeblieben!« Auf der Strecke geblieben ist sie, als ihre Brüder bei der Columbia nachfragten und feststellten, dass dort kein Montgomery Brogan eingeschrieben war, als sie Mutmaßungen über Montys tatsächlichen Broterwerb anstellten und ihrer Schwester klar machten, dass sie sich diesen dunklen Iren besser aus dem Kopf schlagen sollte. Sie schloss sich in ihr Zimmer ein und ging für drei Tage in Hungerstreik, aber Monty beließ es dabei, weil er mit einer Familie voll wütender Cops lieber nicht dauerhaft verbandelt sein wollte.
Donatella Bruno. Wo sie jetzt wohl ist? Monty bleibt stehen und wischt sich den Schnee vom Kragen. Er klopft sich das Gesäß ab und tastet nach dem harten Umriss unter dem Kamelhaar, nach der Pistole an seinem Gürtel. Monty fährt auf seine 40er ab, auf ihr Gewicht, die Klarheit ihrer Linien, die Eindeutigkeit ihres Zweckes. Mit einer Waffe herumzulaufen heißt mit Macht herumzulaufen. Er hat sich das Schießen auf einem Schießstand in Brooklyn selbst beigebracht, zusammen mit seinem Vater, der eine uralte 9-Millimeter- Browning unter dem Tresen liegen hat. Montys schwarzes Lederholster ist von einem zwergenhaften Kalabrier in Bensonhurst handgefertigt worden: mit einem großen B für Brogan, das dem alten Schriftzug der Brooklyn Dodgers nachempfunden wurde.
Monty starrt durch eine weitere Tafelglasscheibe, an goldenen Buchstaben vorbei in ein Restaurant mit weißgedeckten Tischen und butterfarbenem Licht, auf Leute, die es warm und gemütlich und gut haben,
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