250 - Rückkehr nach Euree
patrouillieren. Von der mit Eis und Schnee zugedeckten Themse aus trieben und zerrten die Lords Wakudagespanne die Böschung hinauf. Die Tiere zogen riesige Reisigbündel oder Schlitten voller Holz durch den Schnee.
Samuel Armadie, der mit Dubliner die Vorhut bildete, huschte aus der Deckung eines verschneiten Buswracks zu Eve und Sir Leonard. »Sie schaffen Brennmaterial unter die Kuppel«, flüsterte er. »Auf der Themse nähern sich noch mindestens zwanzig Wakudagespanne mit Holz und Reisig. Die haben ihre Karren auf Kufen gesetzt.«
»Nun ja, der Winter ist verflucht kalt.« Eve zuckte mit den Schultern. »Selbst Barbaren wie die Socks lieben es nun mal warm.«
»Dubliner ist der Ansicht, dass sie den Communitybunker ausräuchern wollen«, sagte Armadie. »Und ehrlich gesagt - ich teile seine Einschätzung.«
Sir Leonards Kaumuskeln pulsierten, seine Lippen waren ein einziger dunkler Strich. Er antwortete nichts, doch seiner harten Miene war anzusehen, wie tief ihn die nächtlichen Aktivitäten der Lords erschütterten. »Weiter«, flüsterte er und winkte die anderen hinter sich her.
Keine hundert Schritte von der Westminster Bridge entfernt kletterten sie ins siebte Obergeschoss einer Hochhausruine. Dort gab es zur Themseseite hin ein paar Fassadendurchbrüche, die nicht durch Geäst und Eiszapfen verhängt waren. Durch sie hindurch konnte man das Geschehen auf der Brücke, am Flussufer und vor der Kuppel gut beobachten. Armadie und Dubliner schickte Sir Leonard als Späher in die eisige Nacht hinaus. Er befahl ihnen, die Themse zu überqueren und sich so nahe wie möglich an den Kuppeleingang heranzuschleichen.
Sie warteten. Abwechselnd beobachteten sie die Lords auf der Brücke und die Gespanne auf dem Strom durch die beiden Nachtgläser, die sie besaßen. Nach einer Stunde etwa sichteten sie keine Wakudagespanne mehr. Durch die halbtransparente Kuppel hindurch konnten sie immerhin erkennen, dass die Lords das Brennmaterial in den großen Tunnelgang schleppten, der in leichtem Gefalle zum septisch-externen Foyer der Bunkerstadt führte.
Als septisch-externes Foyer - abgekürzt: SEF - bezeichneten die Technos jenen Teil der Westminster-Hall -Ruine, den sie zwar durch Kuppelgewölbe abgestützt und durch Schleusen von der Außenwelt abgeschottet hatten, dessen Räume aber noch außerhalb des Bunkers lagen. In den Zeiten vor der Serumsproduktion beherbergten sie in diesem Bunkersegment Gäste, die sie für Träger von Krankheitskeimen hielten oder aus anderen Gründen nicht im Inneren der eigentlichen - aseptischen - Bunkerstadt sehen wollten. Von hier aus gelangte man direkt zur Hauptschleuse vor der unterirdischen Bunkerstadt der Community London.
»Ohne Energie konnten Warrington und die Queen die Schleusenschotte unmöglich schließen«, sagte Cinderella Loomer. »Wenn die Socks das ganze Brennmaterial im SEF vor der Schleuse stapeln und entzünden, werden unsere Leute dort unten an Rauchvergiftung sterben.«
»Wir können nichts tun.« Sir Leonard senkte den Kopf und schlug sich mit der Faust gegen die Stirn. »Wir können überhaupt nichts tun, verdammt noch mal! Wir sind darauf angewiesen, dass Traysi die Taratzen für uns als Verbündete gewinnt.«
»Was für eine absurde Situation!« Eve Neuf-Deville lachte bitter auf. »Wir sind auf ein Bündnis mit Riesenratten angewiesen! Wir! « Sie sah Valery Heath ins Gesicht. »In Salisbury gab es zwei kleinere Nebeneingänge. Haben eure Bunkeringenieure an so etwas nicht gedacht?«
»Selbstverständlich.« Die Heath nickte resigniert. »Zwei Nebenschleusen führen in die Ruine der Houses of Parliament . Die liegt leider unter der Kuppel und ist zudem von den Lords besetzt. Außerdem kann die Gruppe um die Queen die Schotts ohne Energie nicht öffnen. Allerdings gibt es da noch einen Geheimgang, dessen Schleuse manuell geöffnet werden kann.«
»Daran hatte ich auch schon gedacht«, stimmte Sir Leonard zu. »Aber wie Sie sehen, ist der Platz, unter den er mündet, vom Feind besetzt.«
Unter der Maueröffnung huschte die Silhouette einer Gestalt von Ruine zu Ruine und verschwand aus ihrem Blickfeld. Kurz darauf näherten sich Schritte auf der Treppe. Armadie stürzte in den Raum. »Die Taratzen!«, rief er. »Sie greifen an!« Sofort drängten sich alle vor der Maueröffnung. Wer ein Binokular hatte, setzte es an die Augen.
Die Taratzen kamen von Osten her. Zunächst sah man nur Ströme von Schatten, die aus den Ruinen und restaurierten Gebäuden
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