253 - Das Terror-Gen
sich. Maddrax drängte sich zwischen die Frauen. Er packte die Lady bei den Schultern und drückte sie sanft aber bestimmt auf ihr Lager. »Ruhig, ganz ruhig, hier kann Ihnen nichts geschehen.«
Währenddessen sah sich Aruula forschend um. Schatten des Fackellichts flackerten über die Höhlenwände. Sonst nichts. Mit geschärften Sinnen ging sie in die Richtung, in die Victoria gedeutet hatte. Doch weder konnte sie etwas Ungewöhnliches sehen, noch riechen oder erlauschen . Ernüchtert strichen ihre schmalen Finger über die feuchten Steine. Was auch immer die Queen erschreckt hatte, es kam nicht von hier. Es musste sich tief in ihrem kranken Geist befinden. Zu tief, als dass die Kriegerin von den Dreizehn Inseln es erfassen konnte.
Seufzend kehrte sie der zerklüfteten Felsenwand den Rücken. Auf dem Weg zurück zum Krankenlager schöpfte sie etwas von dem Kräutersud in eine alte Blechtasse. In kleinen Schlucken trank sie die wohltuende Brühe. Ihr Kopf schmerzte und Schultern und Nacken waren hart wie Stein. Kein Wunder! Der mentale Kontakt mit Victoria war Schwerstarbeit. Die Barbarin hatte in ihrem Leben schon viele Menschen belauscht . Doch keiner dieser Momente war vergleichbar mit denen, die sie mit Lady Victoria Windsor erlebte. Deren Innenleben glich einem Trümmerfeld, über das unentwegt ein Sturm hinweg zu fegen schien.
Die Fragmente der verstümmelten Bilder und das wirre Gestammel zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzusetzen, ging an die Grenzen ihrer mentalen Kräfte. Zweifel wollten sich breit machen, jemals noch etwas über die vergangenen Geschehnisse auf der Insel zu erfahren. Doch Aruula erstickte sie sofort im Keim. Victoria wird aus dem Labyrinth ihres Wahnsinns herausfinden. Um keinen Preis wollte sie diese Hoffnung aufgeben. Um keinen Preis! Müde blickte sie zur Bettstatt der ehemaligen Queen.
Maddrax war es inzwischen gelungen, die Lady zu beruhigen. Bleich und leblos lag sie auf den verschwitzten Tüchern. Nichts war mehr zu sehen von der feenhaften Schönheit, die Aruula einst so bestaunt hatte. Damals, als ihr Victoria in Britana begegnet war. Jetzt wirkte das fein geschnittene Gesicht eingefallen und Angstfalten durchfurchten die wächserne Haut. Ihre großen grünen Augen starrten wie trübes Glas zur Decke. Die Lippen waren ein fahler, zuckender Strich, von dem Speichel triefte.
Sie gleicht einer sterbenden Greisin. Obwohl sie noch nicht einmal fünfzig Winter alt war - für einen Bunkermenschen, die gut und gern hundertdreißig werden konnten, kein wirklich hohes Alter. Das hatte Maddrax erwähnt, als sie sich in den vergangenen Tagen über den zunehmenden Verfall der Queen unterhalten hatten.
Ihr Zustand war beiden ein Rätsel. Auch die immer häufiger auftretende Lähmung ihrer rechten Arm- und Schulterpartie blieb ihnen unbegreiflich. Nichts deutete auf eine Verletzung hin. Vielleicht doch eine Infektion? Das würde jedenfalls die plötzlichen Fieberschübe erklären.
Ganz egal, was die Lady plagte: Aruula musste herausfinden, was mit Sir Leonard und seinen Leuten hier auf Guunsay geschehen war. Nur mit einer stichhaltigen Geschichte würden sie die Chance haben, Rulfan bei den Technos in Landán auszulösen. Sonst wäre sein Leben verwirkt. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Nicht noch einmal würde sie einen geliebten Menschen verlieren. Nicht noch einmal.
»Du solltest dich ausruhen, Aruula«, unterbrach Maddrax ihr Grübeln. Er kam zu ihr und umfasste sanft ihre Schultern. Besorgt musterte er ihr Gesicht. »Wann hast du überhaupt das letzte Mal was gegessen?«
»Meine Sinne öffnen sich weiter, wenn ich keine Nahrung zu mir nehme«, erwiderte sie tonlos. »Victorias Gedanken gleichen den Nebelschwaden über der Themse: Im einen Moment erblickst du das Ufer und im nächsten Augenblick ist es schon wieder verschwunden. Ich muss auf der Hut sein, wenn ich mich nicht darin verlieren will.«
»Lass es doch gut sein, Aruula! Wir haben Gabriels versteinerten Finger mit dem Ring des Prime. Der muss reichen. Schone deine Kräfte für die Reise, die vor uns liegt. Das Boot ist so gut wie repariert.« Er zog sie an seine Brust. Sanft strichen seine Finger über ihren Nacken.
Wie gerne würde sie Maddrax' Rat befolgen. Sich einfach gehen lassen. Schlafen! Ich darf nicht. Nicht jetzt! Das Risiko, die Verbindung zu Victoria ganz und gar zu verlieren, war zu groß. Doch bevor sie ihrem Geliebten etwas erwidern konnte, meldete sich hinter ihnen die brüchige Stimme der
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