254 - Das Nest
hängsst!«
***
Hrrney hatte vier von seiner Meute abgestellt, die sie begleiten sollten. Hrrney blaffte sie an, sich in Bewegung zu setzen, und trat nach ihnen. Seit der Verkündung von Traysis Botschaft war seine Stimmung noch gereizter als sonst.
Rulfan hoffte, dass er bald noch mehr Grund haben würde, sauer zu sein. Wenn nämlich seine haarigen Kollegen, die er zu den Lords geschickt hatte, nicht zurückkamen. Rulfan zweifelte nicht daran, dass die Barbaren sie abschlachten würden, ansonsten hätte er Grandlord Paacival und den Druiden nicht in Gefahr gebracht. Sie hatten ihre Zukunftssicht; ein Überraschungsangriff würde den Taratzen nicht gelingen.
Ich hoffe, sie spicken sie mit Pfeilen , dachte Rulfan grimmig. Je weniger der Bestien in der Station waren, desto besser standen seine Chancen zur Flucht. Aber wollte er überhaupt fliehen? Genügte es ihm nicht, Hrrney tot zu sehen?
Rulfan spürte die Stricke, die seine Hände hinter dem Rücken hielten. Hrrney hatte ihn fesseln lassen. Glücklicherweise hatten die Taratzen dabei die lange Kachelscherbe nicht bemerkt, die Rulfan sich unter den Lederstulpen am linken Handgelenk geschoben hatte, als er nach Hrrneys Wutausbruch im Schutt gelandet war. Nun tastete er mit den Fingern der Rechten danach, um sie ein Stück hervor zu ziehen.
Die scharfkantige Scherbe ritzte seine Haut. Aber das war angesichts der grünen und blauen Flecken, mit denen sein Körper übersät war, nicht mehr als ein Nadelstich.
Die Taratzen zerrten Rulfan mit sich. Sie gingen den langen Bahnsteig entlang. Und mit jedem Schritt wuchs die Wut in Rulfan. Je länger er versuchte sich zusammenzureißen, desto schwerer wurde es. Mit jeder Sekunde spürte er immer deutlicher, was er mit Chira verloren hatte. Es war, als müsse er den Tod Lays ein zweites Mal erleiden.
Chira war alles, was mir noch geblieben war…
Verbissen rieb er die Scherbe gegen die groben Fasern seiner Fesseln. Er spürte, wie Blut über seine linke Hand lief und sah eine der Taratzen aufgeregt Witterung aufnehmen. Ob sie das Blut roch?
Ich habe weit mehr als eine Verletzung. Das bisschen Blut fällt da auch nicht mehr ins Gewicht.
Rulfan arbeitete verbissen weiter, während sie auf das Ende des Bahnsteigs und die Treppen nach oben zustrebten. Nur noch ein Dutzend Schritte…
Es gab ein leises, ratschendes Geräusch, als das Seil riss. Rulfan hustete unvermittelt, um es zu übertönen. Es gelang ihm, das Seil um seine Handgelenke mit den Fingern festzuhalten. Vorsichtig schob er die Kachelscherbe zurück unter die Lederstulpe, damit sie nicht zu Boden fiel und ihn mit einem Klirren verriet.
»Sschnellerr gehen!«, knurrte Hrrney von vorne.
Eilig trieben ihn die vier Taratzen an. Rulfan beschleunigte von sich aus. Er musste jetzt nahe genug an Hrrney herankommen.
Sie näherten sich der Tür. Der Tür zu dem Raum, in den Rulfan schon einmal einen kurzen Blick hatte werfen können und in dem die Taratzen ihr Magazin eingerichtet hatten. Zwar lagerten dort keine Waffen, dafür ragten die rostigen Hebel des Stellwerks auf!
Rulfan riss die Hände auseinander; die Reste des Seils fielen herab. Er warf sich zur Seite und gegen die Klinke. Die Tür sprang auf, er drängte sich in den Raum und umklammerte einen der Hebel des Stellwerks. Ein scharfer Schmerz durchzuckte seine verletzte Hand.
Für Chira! , dachte er trotzig. Für Lay! Und für die Rache!
Der Hebel brach mit einem hässlichen Geräusch. Gerade noch rechtzeitig fuhr Rulfan herum, hielt den scharfkantigen Hebel wie einen Speer.
Hrrney, der sich auf ihn stürzen wollte, rannte mit dem Bauch voran in das Metall. Gleichzeitig stieß Rulfan mit aller Kraft zu!
Der Taratzenkönig brüllte auf. Seine bösartigen kleinen Augen waren plötzlich schmerzerfüllt. Er sank in die Knie. Der Hebel steckte tief in seinem Körper. Rulfan riss ihn heraus und sprang am König der Taratzen vorbei, erwischte eine der anderen Taratzen, die Hrrney gefolgt war, mit einem Schlag seitlich am Kopf und stürmte aus dem Raum - vorbei an den restlichen drei Taratzen, die noch gar nicht begriffen hatten, was passiert war. Ehe sie sich besinnen konnten, hechtete Rulfan bereits die Treppe hinauf. Hinter ihm wurde Gebrüll laut.
***
Chelsea, Ruinendorf der Lords
Sie hatten sich in aller Frühe ein Stück abseits der Ruinensiedlung am Rand eines verwilderten Parks an einem ausgetrockneten Brunnen getroffen. Gut dreißig Lords hatte Paacival gemeinsam mit Biglord Djeyms auftreiben
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