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254 - Das Nest

254 - Das Nest

Titel: 254 - Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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eines rostigen Einhandschwertes.
    Die Taratzen gaben aufgeregte Laute von sich und wichen vom Autowrack zurück. Rulfan wollte gerade nach oben sehen, als ein Sturmwind über ihn kam und er scharfe Klauen spürte, die sich an den Schultern um seinen Lederharnisch legten. Er wurde in die Hohe gerissen. Über sich erkannte er den schuppigen Leib des Eluu.
    Traysi! Sie holt mich hier raus! Die Rieseneule stieg einige Meter auf. Unter ihnen rannten die Taratzen wie aufgescheuchte Ameisen über den Platz. Da bemerkte Rulfan einen weiteren Schatten am Himmel, der rasch näher kam. Der Eluu schwankte in der Luft und sank ein Stück ab. Anscheinend hatte er trotz seiner Größe Mühe damit, Rulfans Gewicht zu tragen.
    Er krächzte hell auf, als er den Feind am Himmel entdeckte. Einen mechanischen Feind. Der EWAT!
    Der raupenähnliche Flugpanzer näherte sich rasch.
    Bitte nicht! , dachte Rulfan - vergeblich.
    Nur eine Sekunde später zerplatzte der Eluu über ihm regelrecht. Blut und Federn spritzten in alle Richtungen. Der Griff der Vogelklauen löste sich. Rulfan schrie auf und stürzte in die Tiefe.
     
    In derselben Sekunde schrie Traysi gequält auf. Sengende Schmerzen durchzuckten sie. Tausend Nadeln schienen sich in ihren Körper zu bohren. Sie krümmte sich auf ihrem Lager zusammen. Die geistige Verbindung zu dem Eluu, der sie behütet und beschützt hatte, war gewaltsam abgerissen.
    »Nein!«
    Blind. Blind und hilflos. Da war kein tröstendes Bild mehr, das sie von ihrer Pein ablenkte. Nur Dunkelheit und vernichtender Schmerz. Ihr Kopf drohte zu zerplatzen. Sie presste die Hände keuchend gegen die Schläfen und spürte eine dünne feuchte Spur, die aus ihrer Nase rann und ihre Lippen benetzte. Sie schmeckte nach Blut.
    Die Verbindung war zu tief. Niemals hätte ich mich so eng an dieses Tier binden dürfen…
    Traysi schluchzte auf. Die Schmerzen waren übermächtig. Die aufgewühlten Stimmen in ihrem Geist zu viel, um sie ertragen zu können.
    Dankbar fühlte sie, wie ihre Sinne schwanden. Der moosige Geruch des Eluunestes wurde schwächer. Sie fühlte die Felle unter sich nicht mehr.
    Ist das das Ende? Traysi war zu schwach zum Kämpfen. Sie dachte an ihren Vater, Beetieh, der ihre Mutter hatte hinrichten lassen. An ihre Schwester und all die Menschen, die sie an genau den Punkt gebracht hatten, an dem sie jetzt war. Wer war ihr geblieben? Gab es noch jemanden, der ihren Namen kannte?
    »Rulfan«, flüsterte sie. Dann lag sie still.
     
    Rulfan stürzte auf das Autodach, schrie auf, rollte sich ab und landete neben der eingedellten Motorhaube auf der Erde. Er fluchte und stöhnte.
    Elende Demokraten! Wütend sah er zum Himmel auf. Wie hatten ihn diese Bastarde nur gefunden? Ihnen wieder in die schmierigen Hände zu fallen und eine Geisel der fetten Warrington zu werden, war das Letzte, was er wollte!
    Über ihm richtete sich der EWAT aus. Dann donnerten weitere Schüsse aus der Waffenphalanx an seiner Oberseite über den Platz. Die Taratzen spritzten in alle Richtungen auseinander. Viele starben an Ort und Stelle. Der EWAT richtete auf dem Platz ein Massaker an. Kehlige Schreie, Fiepen und das Röcheln von sterbenden Taratzen mischten sich mit dem Stakkato der Schüsse. Die Geräusche wurden von den Wänden der nahen Ruinen zurückgeworfen.
    Rulfan schloss die Augen. Er atmete und spürte seinen wunden Körper auf den Steinen des Platzes.
    Noch immer trudelten Eluu-Federn zu Boden, obwohl da schon lange kein Eluu mehr in der Luft war. Der EWAT hatte ihn zielgenau mit einer kleinen Rakete zerlegt.
    Die überlebenden Rattenmutanten - nur vier oder fünf von über zwanzig - flohen. Sie stürzten zurück zum U-Bahn-Eingang und suchten die Sicherheit des unterirdischen Labyrinths.
    Neben Rulfan ging der EWAT nieder. Das laute Brummen der Antriebe schmerzte in Rulfans Ohren. Er stand auf und bemühte sich um Haltung. Jeder Knochen und Muskel tat ihm weh. Obwohl er wusste, dass er den LP-Gewehren der Technos hoffnungslos unterlegen war, hob er den Säbel in seiner Hand kampfbereit an.
    Kein zweites Mal, du fettes Walross , dachte er, während sich Lady Warrington in ihrem viel zu engen grauen Kleid aus der Luke des gelandeten EWAT mühte. Der Antrieb verstummte.
    Rulfan sah die Frau an, der er einstmals Respekt gezollt hatte. Doch nach seiner Entführung und den Hassreden auf seinen Vater hatte er nur noch Verachtung für sie und ihre so genannten Demokraten übrig. Selbst wenn Leonard ein Tyrann geworden war, stand die

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