256 - Der König von Schottland
Stuart, dass da plötzlich ein fremder Geist in seinen Gedanken war, eine dumpfe, graue Masse, die sich in seiner Mentalsubstanz orientierte. Mit aller Macht versuchte er dagegen anzugehen, sich dem Fremden zu entziehen, sich abzukapseln, das schreckliche graue Ding nicht mit seinem Selbst verschmelzen zu lassen.
Unvermittelt tauchte Majelas Bild vor ihm auf. Noch bleicher als sonst war sie, aber nicht mehr stumm. Ihre Lippen formten Worte. Und plötzlich war da ihre Stimme.
Kämpfe, Jed! Wehre dich!
Jed Stuart dachte mit plötzlich geschärftem Geist einen flüchtigen Lidschlag lang, dass Majela nicht wirklich zu ihm sprach, dass vielmehr sein Unterbewusstsein die letzten Reserven mobilisierte. Dennoch: Ein schwarzer Wall entstand, der sich vor dem grauen Ding aufbaute und hinter den sein Geist flüchten konnte. Triumphierend schrie Jed Stuart auf. Doch das Grau kroch den schwarzen Wall hoch und langsam darüber, griff mit amorphen Fühlern bereits wieder nach seinem Geist.
Erneut erschien Majela, feuerte ihn an. Der Schutzwall leuchtete plötzlich in tiefem Schwarz, überflutete das Grau. Aber auch Grau konnte zusetzen.
Der mentale Kampf tobte. Besorgt musterte der Retrologe, wie sich Jed Stuarts Körper in den Fesseln aufbäumte, wie sich sein Oberkörper zu einem Bogen spannte. Er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Aber auch Luther zitterte auf seinem Stuhl. Es sah aus, als hätte er einen epileptischen Anfall.
Die meiste Sorge aber bereitete dem Doc das Gerät an sich. Die Zahlen bewegten sich in Bereichen weit über 100 und flackerten bereits rot.
Der Retrologe schüttelte den Kopf. »Bei den Kranken war das nicht ein Zehntel so stark«, murmelte er. »Aber die waren auch keine Technos und haben sich nicht gegen die Behandlung gewehrt…« Er begann an dem Gerät zu hantieren. In seiner Not auch an Schaltern, deren Auswirkungen er nicht kannte.
Plötzlich knallte es. Funken schlugen aus allen Ritzen, ebenso aus den Helmen. Um Jed Stuarts Kopf tanzten blaue Flammen. Luther hob etwa einen halben Meter von seinem Stuhl ab und krachte auf die Sitzfläche zurück. Dabei verlor er den Helm. Drähte und Schläuche rissen, der Helm stand plötzlich in hellen Flammen! Sofort fraß sich das Feuer die Kabel entlang. Gleich darauf roch es nach verschmortem Plastik.
Der Doc schrie entsetzt, hastete zur Tür und riss sie auf. »Wasser, schnell!«, brüllte er.
Ein Barbar kam mit einem vollen Krug. Der Retrologe nahm ihn und schüttete ihn über dem Gedankenmanipulator aus.
Im selben Moment ereilte ihn ein Stromschlag, der seine Augen aus den Höhlen treten ließ. Er tanzte mit ein paar grotesken Bewegungen herum, dann brach er tot zusammen. Der Krug zerbrach auf dem Boden.
Dann war es vorbei. Der Gedankenmanipulator stand qualmend da, für immer zerstört. Jed Stuart und Luther hingen wie leblos in ihren Sitzen.
Barbaren drängten hustend in den Raum vor, bargen in aller Eile ihren Kriegsherrn und zogen mit ihm ab. Jed Stuart, den sie für tot hielten, ließen sie liegen. Ein weiterer Grund für den überhasteten Aufbruch war, dass die Verstärkung unter Huul und Nimuee nun endlich eintraf und den Barbaren nachsetzte, die trotz einiger kleiner Rückzugsgefechte mit dem ohnmächtigen Luther entkommen konnten.
Auch Patrick Pancis ließen sie zurück. Der Lieutenant holte Jed Stuart aus dem von giftigem Qualm erfüllten Raum und begann mit der Wiederbelebung. Gemeinsam mit Cris Crump gelang es ihm, den Bewusstlosen zu stabilisieren.
Jed Stuarts bekam von all dem nichts mit. Sein Geist verlor sich in wirren Fieberträumen. Majela erschien ihm. Sie schwebte über einer ausgedehnten Sumpflandschaft.
Warum bist du nicht zu mir gekommen, Jed Stuart? , fragte sie anklagend. Warum hast du überlebt? Ich warte doch auf dich…
***
Nach der unruhigen Nacht zeigte sich Jed beim gemeinsamen Frühstück mit den Gefährten abwesend. Dunkle Ringe lagen um seine Augen und das Gesicht wirkte fahl und eingefallen. Immer wieder warf er einen düsteren Blick zum Treppenaufgang. Anscheinend wartete er auf Nimuee. Die Burgherrin hatte sich bis jetzt noch nicht blicken lassen. Vorsichtig erkundigte sich Matt nach ihrem Gesundheitszustand.
Stuart winkte müde ab. »Nichts Ernstes. Nur eine, hm, kleine Unpässlichkeit.«
Mehr war aus dem Linguisten nicht heraus zu bekommen. Leider. Matthew hätte nicht nur gerne mehr über die Hausherrin erfahren, sondern auch über den Barbarenführer, von dem ihr Gastgeber
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