256 - Der König von Schottland
anderer Mensch geworden. Ruhig, verschlossen, in sich gekehrt, dann äußerst brutal und im nächsten Moment wieder nett und charmant.
Nimuee war unglücklich. Sie litt mit Jed und war tief traurig, ihm nicht helfen zu können. Manchmal sehnte sie sich nach den Cembells zurück, nach ihrer Freundin und ihrer Mutter, mit denen sie immer alle wichtigen Dinge besprochen hatte. Doch sie dachte nicht daran, Emryys, wie sie Jed noch immer nannte, zu verlassen. Sie war sicher, dass er diese schreckliche Phase irgendwann überwinden würde, dass ihre Liebe erneut eine Chance bekam.
Die junge Cembell wandte sich irgendwann ab, denn sie konnte den Anblick nicht mehr ertragen. Und weil ihr der Schlaf gründlich vergangen war, nahm sie eine Fackel und wanderte durch das nächtliche Kastell. Es war zu einer Geisterburg geworden, seit Jed den größten Teil der Dienerschaft einfach entlassen hatte. Von heute auf Morgen, ohne Angabe von Gründen. Doch Nimuee ahnte, was ihn umtrieb. Er war so sehr mit seinem Selbsthass und seinem Selbstmitleid beschäftigt, dass ihn die Anwesenheit Anderer dabei nur störte. Jed war dabei, sich innerlich zu zerfleischen.
In den ersten Monaten, als er die Aufgabe, die schottischen Clans und Stämme zu einigen, mit großem Elan angegangen war, war es besser gewesen. Jed hatte sich mehr mit anderen Dingen und nicht so sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch seit seiner kurzzeitigen Gefangenschaft war es so schlimm wie nie zuvor, auch wenn er weiter an seiner Aufgabe arbeitete.
Nimuee stieg in die weitläufigen Gewölbe hinab. Sie war sicher, dass sie Patric Pancis hier fand. Der Lieutenant schien nie zu schlafen. Wenn er sich auf Stuart Castle aufhielt, verbrachte er die meiste Zeit hier unten, um im Fackelschein an irgendwelcher Tekknik herumzubasteln. Zumindest hatte er das, bis irgendwann im Oktober letzten Jahres der Stroom einfach aufgehört hatte zu fließen. Nicht nur hier im Kastell, sondern überall, wo sich Relikte der Alten in Gebrauch befanden. Seitdem forschte Pat an den Hintergründen für dieses Phänomen.
Und tatsächlich stand er auch jetzt an einer Werkbank und setzte gerade einen Trilithiumkristall in ein Gehäuse ein. Er sah kurz zu ihr auf und brummte: »Es ist zum Verrücktwerden. Der Kristall ist voller Energie, aber er gibt sie einfach nicht mehr frei.« Als Nimuee nicht reagiert, blickte er noch einmal und diesmal länger und mit einer Sorgenfalte auf der Stirn zu ihr. »Hat er wieder einen Anfall?«
Nimuee nickte. »Majela ist zurückgekehrt. Es wird also noch schlimmer werden. Was sollen wir tun?«
Pancis nahm den Kristall noch einmal heraus und starrte ihn an. »Wenn ich das nur wüsste«, seufzte er abgrundtief. »Weiß auch der Heiler keinen Rat?«
»Nein.«
»Dann können wir nur hoffen, dass es von selbst wieder besser wird. So wie mit dieser von Wudan verfluchten Tekknik.«
Erst zum Lunch am nächsten Tag traf Nimuee wieder mit Jed zusammen.
»Wie, hm, geht es dir, mein Liebes?«, fragte er und lächelte sie aus müden, rot unterlaufenen Augen an, entspannt, wie es schien. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
Sie nahmen an der langen Holztafel im ehemaligen Rittersaal Platz. Auf dem Tisch standen drei Teller, Messer lagen daneben. Auch Patric Pancis, der als Einziger mit ihnen speisen durfte, fand sich ein.
Gwaan, einer der drei verbliebenen Bediensteten, trat ein. Er hielt ein Tablett in den Händen, auf dem ein irdener Topf mit dampfenden Fleischstücken stand. Vorsichtig stellte er es auf den Tisch.
»Ist das, hm, gekochtes Wakudafleisch?«
»Ja, mein König.«
Mit einer plötzlichen Armbewegung wischte Jed den Topf vom Tisch. Er zerschellte auf dem Boden. Heißes Wasser spritzte, die Fleischstücke schlidderten über den Stein. Dann sprang er hoch und fixierte den Diener mit einem irren Ausdruck in den Augen.
»Ich mag kein gekochtes Wakudafleisch, du Troll!«, brüllte er los. »Wie oft muss ich noch sagen, dass ich es gebraten will? Wenn ich nicht in zehn Minuten gebratenes Wakudafleisch hab, schlag ich dir den Kopf ab!«
Patric Pancis ging energisch dazwischen. »Jed«, sagte er, »sei nicht ungerecht. Erst vor zwei Tagen hast du die Dienerschaft angewiesen, gekochtes Wakudafleisch zu servieren, weil du gebratenes nicht mehr sehen kannst.«
Jed Stuart starrte ihn an. Sein Geist schien von weit her zurückzukommen. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. »So, habe ich das, nun, tatsächlich gesagt? Dann, äh, tut es mir leid, Gwaan.
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