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257 - Die Spur der Schatten

257 - Die Spur der Schatten

Titel: 257 - Die Spur der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Bote des nahenden Winters. Du bist schon wach gewesen und hast mich aus großen Augen angesehen. »Weißt du, was ich glaube?«, hast du gefragt. »Ich glaube, dass er nach uns sucht.«
    Ich dachte sofort an Fletscher, fuhr hoch und fragte: »Wer?«
    »Maddrax«, hast du dann gesagt. »Mein Vater.«
    Zwei Stunden später ist Pieroo zurückgekehrt. Er wirkte müde und abgekämpft. Ausgewachsene Wildsäue hatten stundenlang den Baum belagert, von dem aus er ihrer Herde aufgelauert hatte. Er wollte nicht seine letzten Pfeile verschießen, deswegen wartete er, bis sie in der Nacht das Feld räumten. Fleisch brachte er nicht mit, dafür Beeren und Pilze. Frost taute in seinen Barthaaren.
    Zurück auf dem Wildpfad nach Nordwesten setzten wir unseren Weg durch die Wälder und Hügel von Wales fort. Pieroo entdeckte die Fährte eines jungen Wildschweins, dass er angeschossen hatte. Wir liefen schneller, denn wir hatten lange kein Fleisch mehr gegessen. Bald fiel mir auf, dass Pieroo immer langsamer wurde und sich immer häufiger misstrauisch umblickte. Manchmal bückte er sich, untersuchte niedergetretenes Gras oder abgeknickte Halme. Er wollte nicht sagen, was ihn beunruhigte.
    Als die Sonne an diesem Tag den Zenit überschritten hatte, erreichten wir Überreste von Ruinen. Ein Turm war zum Teil erhalten. Pieroo bestand darauf, dass wir beide uns in ihm verbarrikadierten. Mich überfiel eine große Angst, doch du warst seltsam gelassen; geradezu vergnügt warst du, meine kleine Ann.
    Ich drang in ihn, wollte wissen, was er befürchtete und was er plante. »Vertrau mir einfach«, sagte er nur. »Ich gehe jetzt in den Wald zurück und suche Pilze.« Was für Pilze, wollte ich wissen. »Dunkle, stark riechende Pilze, die tief im Boden wachsen und denen die Wisaaun nicht widerstehen können.« Das sagte er, und dann ging er fort.
    Das Gefühl, ihn nie mehr wieder zu sehen, überfiel mich wie ein Albdruck. Kaum konnte ich meine Angst noch vor dir verbergen. Du aber hast meine Hand genommen, ein Lied angestimmt und mich über Geröll und durch Gestrüpp zu einer Wendeltreppe geführt.
    Wir kletterten auf den Turm. Von der Spitze der Ruine aus beobachteten wir den Wald und lauschten in das lichte, gelbe und braune Blätterdach hinein. Pieroo kam nicht zurück. Meine Angst schnürte mir schier die Kehle zu, doch dir gegenüber versuchte ich es mir nicht anmerken zu lassen.
    Als die Dämmerung kam, hörten wir Wildschweine grunzen und schnüffeln. Wir sahen sie nicht, wir hörten nur, wie sie über den Wildpfad nach Nordwesten galoppierten…
    ***
    Anfang November 2521
    Es war schon später Nachmittag, als der Barbar, den Fletscher Pups getauft hatte, auf dem Wildpfad stehen blieb und sich aufmerksam umschaute. Jeden Baum betrachtete er, jeden Ast, jeden Zweig, jedes Grasbüschel. »Warte hier, Feuerspeermann«, sagte er schließlich und schlich ins Unterholz.
    »Was hat er vor?« Misstrauisch musterte der Major aus Leeds den anderen.
    »Falle«, flüsterte der. »Irgendwo hier, Falle.« Der verletzte Frischling lag seitlich des Wildpfads im Farn und hechelte.
    Er hatte viel Blut verloren. Lange würde das Tier nicht mehr durchhalten.
    Kurz darauf ertönte ein heiserer Ruf wie von einem Nachtvogel. »Komm, Feuerspeermann«, sagte Pieps. Am Führungsseil zerrte er das erschöpfte Jungschwein hoch und zog es hinter sich her in den Farn hinein. »Komm, Feuerspeermann, komm…«
    Zögernd folgte Fletscher ihm. Vorsichtshalber lockerte er das Schwert in seinem Hüftgurt. Er schaffte es einfach nicht, sein Misstrauen gegen die wilden Kerle zu überwinden.
    Wieder und wieder brach die junge Wisaau zusammen, am Schluss schleifte der Waldwilde sie beinahe liegend durch das Unterholz. Fletscher wich den Blutspuren aus. Hundert Schritte etwa pirschten sie durch den Wald, bevor Fletscher den jüngeren der beiden Jäger zwischen jungen Buchen- und Eichenbüschen entdeckte. Dort stand er am Rande einer Fallgrube.
    »Die stammt von euch?« Stirnrunzelnd äugte Fletscher in die Grube hinunter. Fast drei Meter tief war sie und hatte noch einigermaßen glatte Ränder. Aus ihrem Grund ragten zehn oder zwölf angespitzte Holzschäfte hoch, jeder etwas mehr als daumendick.
    »Hin und her ziehen wir«, erklärte Pups, »Winter und Winter, immer zwischen Seeweanmündung und Küste von Nordwaals.« Er deutete auf die Grube. »Viele so Gruben haben wir.«
    »Was du nicht sagst…« Fletscher blickte sich um. »Sieht man die Blutspur gut genug?«
    »Führt

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