2575 - Flucht nach Anthuresta
bekannt bist, neue Ansätze zu finden, wäre das genau das
Richtige für dich - und kann uns helfen.«
»Und werde ich weiterhin als Gefangene leben?«
»Du kannst dich jederzeit frei bewegen. Halte dich trotzdem besser vom Volk auf den Straßen
fern. Es könnte schockiert sein, dir leibhaftig zu begegnen.«
Lucba schauderte es. »Keine Sorge. Mir steht nicht der Sinn nach großer Nähe. Ich war immer
schon Einzelgängerin.«
Sie erhob sich und ging hinein. »Hol mich morgen ab.«
*
Bevor ihre Schulung und Arbeit begann, hatte Lucba eine Unterredung mit Candrofatt.
Besser als jede Frau, dachte sie bei sich nach dem Gespräch. Härter. Viel
härter.
Aber das konnte sie weder beeindrucken noch einschüchtern. Sie entstammte einer anderen
Generation, und das ließ sie ihn deutlich spüren. Darauf reagierte er letztlich mit der
Sensibilität eines Mannes und erwies ihr seine Achtung.
Was genau von ihr erwartet wurde, sagte er nicht. Das sollte Kitapors Aufgabe sein, der
weiterhin ihr persönlicher Aufpasser blieb.
Das macht nichts, dachte sie. Den verspeise ich eines Tages zum Frühstück.
Vierzigtausend Jahre mögen vergangen sein, aber er ist trotzdem nur ein Mann.
Das Leben fing an, ihr zu gefallen. Neue Herausforderungen und so viel Neues zu entdecken
...
Lucba stürzte sich als Erstes auf die Erforschung der Anthurianer, sie trug alle Fakten und
Informationen zusammen, um mehr über das geheimnisvolle Volk herauszufinden. Den Kontakt zu
anderen Vatrox, auch innerhalb der Behörde, mied sie, soweit es ging.
Sie verließ den Wohnturm nie, es gab darin alles an Annehmlichkeiten, von daher gab es keinen
Grund. Für die Natur hatte Lucba noch nie viel übrig gehabt, sie fühlte sich am wohlsten in einem
Labor mit einem Dutzend Computern und Versuchsaufbauten, in denen sie versinken konnte, manchmal
den ganzen Tag ohne Pause. Sie nahm ihr gewohntes Leben übergangslos auf.
Amüsiert war sie dennoch, als Kitapor das eines Tages zu begreifen schien und seinen starren
Posten aufgab. Schließlich wurde er sogar als Referror abberufen.
Und das war der Zeitpunkt, zu dem Solia Innamboch sich bei ihr meldete. Völlig unvermittelt
empfing Lucba in ihrem Labor einen mentalen Ruf.
Kannst du reden?
Ja, ich bin allein.
Freut mich, dich kennenzulernen, Lucba Ovichat. Ich bin Solia Innamboch, vom
Orden - dem besonderen Teil, den du bereits kennst. Ich war unter anderem mit an der
Programmierung beteiligt. Hast du alles gut überstanden?
Sehr gut. Ihr habt ausgezeichnet gearbeitet. Die Männer ahnen nichts. Aber wieso
können wir uns unterhalten? Ich dachte, die Männer unterdrücken die Telepathie in diesem Gebäude
...
Das glauben sie. Wir können diese Frequenzstörer problemlos umgehen. Lassen wir
sie in dem Glauben.
Lucba lachte.
Können wir uns treffen?
Ist das denn erlaubt?
Die Männer müssen uns bei Laune halten, Lucba, vor allem dich. Und wenn wir uns in aller
Öffentlichkeit zeigen, sind sie zufriedengestellt und vermuten nicht gleich eine
Verschwörung. Was sich niemals änderte, war der Respekt vor uns Frauen. Die Männer haben
unter der Regie der Kollektive die Macht übernommen, doch sie haben nie aufgehört, uns zu achten.
Das gilt selbst für Candrofatt. Das liegt nicht nur darin begründet, dass wir so wenige sind,
sondern es ist in ihren Genen verankert. Sie wissen, was sie uns schulden, und sie wissen, dass
wir ihnen immer überlegen sein werden. Emotional, mental und intellektuell.
Sie verabredeten sich am Abend in einem Innenhof-Restaurant des Turms. Lucba musste
schmunzeln, als sie Kitapor an einem Tisch entdeckte, und nickte ihm zu.
Solia Innamboch erhob sich sofort, als sie Lucba sah. Ihre Augen glänzten, und sie verneigte
sich leicht.
»Das mag dir albern erscheinen, aber... es ist solch eine Ehre und etwas Besonderes für mich,
dir endlich so zu begegnen.«
»Können wir offen reden?«, fragte Lucba, während sie Platz nahm.
»Gerade hier. Mach dir keine Gedanken.«
Sie plauderten eine Weile über Allgemeines, bis sie mit Essen fertig waren. Dann rückte Solia
mit der Sprache heraus.
»Wir machen uns Sorgen über die Zukunft, Lucba. Die Männer werden zunehmend parataub, was sie
selbst als durchaus angenehm empfinden. Damit einher geht aber der Erinnerungsverlust bei der
Wiedererweckung, der uns nicht gefällt. Zudem nimmt die Sterilität weiterhin zu. Eines Tages
werden wir überhaupt keine Nachkommen mehr
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