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2593 - Das Paralox-Arsenal

2593 - Das Paralox-Arsenal

Titel: 2593 - Das Paralox-Arsenal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Lukas
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Pause machen. Nach Luft schnappen.
    Warum gibt es einen Kontrapunkt, aber keinen Propunkt? Hat sich schon jemals ein

Etymologe mit diesem ernsthaften Problem der Sprachforschung auseinandergesetzt?
    Tifflor wollte einen weiteren Schritt aufwärts machen. Doch er stieg ins Leere -

beziehungsweise abwärts.
    Er hatte es geschafft. Irgendwie.
    *
    Er blickte auf eisbedecktes Land hinab, diesmal nicht in Rot und Violett und Gelb gehalten,

sondern in weißem Weiß, und hinter dem Weiß stand das Rund einer stecknadelkopfgroßen Sonne. Oder

das, was er für eine Sonne hielt, die aber keine war.
    Im Tal ästen breitbeinige Säuger an weit ausladenden Bäumen. Tiff meinte, Vogelgezwitscher zu

hören und das Rauschen eines Wasserfalls, und hinter ihm rumorte die Horde seiner

Wahngestalten.
    Sie zischten und fauchten und grollten, kurz: Sie nutzten die gesamte Bandbreite ihrer

bestialischen Ausdrucksweisen. Sie drohten ihm. Sie wollten, dass er sich umdrehte.
    Jetzt noch, doch noch. Dass er sie anblickte und ihrem Schrecken verfiel. Um zur Salzsäule zu

erstarren.
    Aber nein. Julian Tifflor lächelte. Dieser Herausforderung begegnete er spielend. Neugierde

war eine reichlich dumme Idee angesichts des Marsches geworden, den er hinter sich und noch vor

sich hatte.
    Ein Schritt abwärts. Pause machen. Nach Luft schnappen.
    Er wusste, dass mit jedem Meter, den er nun zurücklegte, die Ängste kleiner und die Stimmen

leiser würden.
    Also stieg er abwärts, mit jeder Minute besser gelaunt und an Kraft gewinnend.
    Tiff hatte einen weiteren Kampf gegen sich selbst gewonnen, und es scherte ihn niemals mehr

wieder, ob die Bedrohung in seinem Rücken tatsächlich existiert hatte oder bloß ein Ausbund

seiner Phantasie gewesen war.
    Er holte sich den Perianth-Kristall an dem Ort, den der Detektor angezeigt hatte, und verließ

das Lebenskorn, ohne über diese äußerst merkwürdige Episode seines langen Marsches auch nur einen

weiteren Gedanken zu verlieren. Tifflor ahnte, dass noch wesentlich größere Belastungen seiner

harrten.

3.
    Die Medusen
     
    Gehen. Gehen. Gehen. Und die Zeit verflog ... nicht.
    Die einzige Abwechslung war seine stetig wachsende Paranoia. Tiff war inzwischen ganz sicher,

dass ihn jemand beobachtete.
    Ein ums andere Mal, im Abstand von Jahrzehntausenden, glaubte er aus den Augenwinkeln einen

Schatten zu erspähen, flüchtig, von undefinierbarer Gestalt. Aber er drehte sich nicht um.
    Kein Lebewesen, kein Roboter vermochte den Jahrmillionentunnel zu überwinden, hatte Duleymon

die Siebenundsechzigste behauptet. Einzig jemand mit einem Zellaktivator - der für diesen Zweck

modifiziert, eigentlich: sabotiert worden war.
    Tiff selbst hatte Urga Chrem...irgendwas, der Wirtin der KyBaracke, die dafür nötigen Daten

geliefert. Im Grunde hatte er sich die Falle, in die er getappt war, selbst gestellt.
    Oder würde sie stellen. Indem er das Notizbuch, das er bei sich trug, zurück nach oben, in die

Zukunft schickte.
    Wie auch immer ...
    Er schritt dahin, pausenlos, atemlos. Die Ährenspindel des Zeitspeers, der verdammte Lange

Gang, erstreckte sich unabsehbar weit in beide Richtungen. Da sich die Aussicht vor Tifflor

jedoch nie änderte, vielmehr den Eindruck erweckte, er käme keinen Meter vorwärts, blieb er in

seinem Gehirn gefangen.
    Das war kein angenehmer Ort.
    *
    Hinter dem Ausgang zum nächsten Zeitkorn - dem neunten? Oder doch schon dem zehnten? - fiel

das Land der Kruste steil ab.
    Julian Tifflor schlitterte vorsichtig in die Tiefe, stets darauf bedacht, den am Abhang wild

wuchernden dunkelroten Büschen und ihren zentimeterlangen, rasiermesserscharfen Dornen

auszuweichen. Die Blätter waren fast kreisrund, die größten Exemplare maßen mehr als 20

Zentimeter im Durchmesser.
    Nach wenigen Minuten erreichte er die Sohle. Eine brettebene Oberfläche breitete sich vor ihm

aus, so weit das Auge reichte.
    »Flüssigkeit«, sagte er zu seinem besten Gesprächspartner der letzten Millionen Jahre, zu sich

selbst. »Flüssigkeit, aber kein Wasser.«
    Er nahm sein Fahrtenmesser und tauchte es mit der Klinge voran in die geleeartige Masse. Es

sank langsam ein und ging in Zeitlupentempo unter. Bevor es völlig versank, zog Tiff das Messer

zurück und betrachtete die Schlieren, die an der Schneide zurückgeblieben waren.
    »Eine Viskosität ähnlich wie Propantriol, auch Glycerin genannt.« Vorsichtig benetzte er die

Zunge. Gerade mal so viel, dass er den

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