2598 - Tod einer Superintelligenz
zu schweigen von den Mündungen der teils schweren Geschütze in den LUPUS- Shifts und den anderen Kampfeinheiten.
Eine Ankunft stand kurz bevor, und man wappnete sich dagegen, dass irgendwelche Feinde in diesen heiklen Stunden den Weg durch das PolyportNetz in dieses wichtige Bollwerk fanden. TARA-Kampfroboter standen wie tödliche Kolosse in einem Halbkreis, jeder von ihnen bereit, binnen eines Sekundenbruchteils gegen körperliche Feinde mit aller nötigen Gewalt vorzugehen.
Doch eigentlich erwartete man keine Gegner. Ganz im Gegenteil.
Ein leises Geräusch ertönte ganz in Bettys Nähe, aber es kam nicht von den Transferkaminen. Es erklang hinter ihr, und sie kannte es gut. Die zweite Silberkugel landete.
Die Mutantin drehte sich um. Eritrea Kush stieg aus dem neu angekommenen Schiff, das wie ihre eigene Silberkugel auf Minimalgröße schrumpfte und dicht über dem Boden schwebte.
Was hatten die beiden Freundinnen in den letzten Stunden und Tagen nicht alles gemeinsam durchlitten? Ohne Eritrea wäre Betty tot, verweht in den Todesqualen, die von ES ausgingen, gestorben mit in Fetzen gerissener Seele, erstarrt in tödlicher Hyperkälte.
Erfroren, wie die Superintelligenz erfror.
Die Mutantin fragte sich, ob sie ihrer Freundin mitteilen musste, was geschehen würde. Was tatsächlich hinter all dem stand. Betty glaubte erkannt zu haben, was geschehen musste, als sie einen mentalen Blick auf die Eiswüste Wanderer geworfen und sich mit der sterbenden Superintelligenz verbunden hatte. In all der Qual und dem panischen Entsetzen über das eigene Erlöschen hatte ES ihr alles mitzuteilen versucht.
Einen Moment lang hielt die Mutantin inne, während die schlanke Gestalt von Captain Eritrea Kush näher kam. ES litt ... all die Pein und die schreckliche Angst ... Doch Betty erinnerte sich auch daran, wie sehr sie ES verabscheute und zugleich verstand - und wie sehr der Blick auf die Wahrheit sie verändert hatte.
Sie stockte.
Die Wahrheit ...
Schuldete sie diese nicht auch ihrer Freundin? Musste sie nicht erfahren, was ihr und allen anderen in diesem Krieg noch bevorstand? Und darüber hinaus?
Oder eben gerade nicht? War es vielleicht eher Bettys Pflicht, Eritrea zu schonen? Möglicherweise war sie nicht bereit, kosmische Zusammenhänge wirklich zu begreifen.
Alles lief unausweichlich auf das Ende zu. Vorhin noch hatte Betty geglaubt, etwas dagegen tun zu können, und manchmal glaubte sie es immer noch. Doch sogar wenn sie ihre selbst gestellte Aufgabe erfüllte - was änderte es schon an der Gesamtlage?
Nur ein kleines Puzzlestück, dachte sie. Mir ist es nur gegeben, ein kleines Puzzlestück zu bilden. Genau das werde ich auch tun. Wie käme ich dazu, mehr von meinem Schicksal zu erwarten? Welcher Hochmut hat mich je etwas anderes denken lassen?
Und du, Eritrea, was ist mit dir?
Sie sprach auch diesen letzten Gedanken nicht aus. Vielleicht war es nicht besser zu schweigen - aber es war humaner. Und in der Dunkelheit des Krieges bildete ein wenig Menschlichkeit das einzige Licht, das die Schwärze von Tod und Elend wenigstens für Sekunden erhellte. Das die Schmerzen linderte, ob sie nun von Wunden des Körpers stammten oder von einer zerrissenen Seele.
Eritrea wollte sich eine Strähne ihres fingerlangen dunklen Haares aus der Stirn wischen, doch sie klebte vor Schweiß fest. Oder hatten sich Überbleibsel der silbrigen Schwaden aus der Pilotensphäre der Silberkugel in ihrem Haar festgesetzt?
Betty staunte über sich selbst. Wie konnten sich ihre Gedanken nur an einer solchen Nichtigkeit verfangen, an einem gerade in diesen Augenblicken völlig unbedeutenden Detail? Doch die menschliche Psyche war stets äußerst erfinderisch, wenn es darum ging, sich von einer bevorstehenden Katastrophe abzulenken.
Also dachte die Mutantin darüber nach, welchen Unterschied es wohl machte, ob ein normaler Körper von den Schwaden umflossen wurde oder jemand wie sie selbst ... jemand, dessen Leib auf letztlich mysteriöse Weise als Materie projiziert worden war. Andererseits fühlte sich Betty durchaus lebendig, und das war sie ja auch, denn ihr Bewusstsein war aus dem Pool in ES wieder entlassen worden und bediente sich dieses Körpers, woraus auch immer er genau bestand.
»Und das ist alles Unsinn«, flüsterte sie, über sich selbst verärgert. Sie durfte diesen Ablenkungen nicht länger nachgeben.
»Was ist denn das für eine Begrüßung?«, fragte Eritrea.
Betty lächelte nur.
»Von welchem Unsinn sprichst
Weitere Kostenlose Bücher