2598 - Tod einer Superintelligenz
DeHall schien es nicht gut zu gehen. Eine Hand hielt sie vor ihr Gesicht gepresst, mit der anderen rieb sie durch ihr kurz geschorenes blondes Haar, massierte sich die Kopfhaut.
»Es ist ES«, kam es von dem Konzept Lloyd/Tschubai. Rhodan nahm an, dass Fellmer Lloyd gesprochen hatte.
DeHall sah Rhodan aus glasigen Augen an. »Ich verspüre einen mentalen Druck. Er vermittelt ... Todesangst. Nackte, kreatürliche, unglaublich intensive Furcht um die eigene Existenz.«
Rhodan blickte zurück zur Darstellung in der Holosphäre. Mit geringer Geschwindigkeit driftete Wanderer dem riesigen Diamanten entgegen, der das PARALOX-ARSENAL war. Seine Abermillionen Facetten glitzerten im Licht ferner Sterne.
»Mikru!«, sagte Rhodan. »Haben wir irgendeinen Grund anzunehmen, dass ES bereits damit begonnen hat, Psi-Materie aufzunehmen?«
»Nein«, kam es verzögerungsfrei von dem Schiffsavatar.
Bedarf es weiterer Aktionen oder Hilfestellungen, um dich an den Futtertrog zu führen, mein alter Freund?, dachte Rhodan. Hat dein fürchterlicher Raubzug im Solsystem nicht ausgereicht, um dich aus der eisigen Erstarrung zu wecken? Müssen wir dir helfen, oder kannst du dich um dich selbst kümmern?
»Wisst ihr, was mir langsam auf den Geist geht?«, fragte Diamond in genervtem Tonfall. »Dass wir nicht genau wissen, was der Alte von uns will! Müssen wir ihn und seine Käseglocke anschieben, damit er schneller bei diesem Riesenhaufen ... Psi-Materie ist? Will er es allein schaffen? Schaut nur, wie langsam er vor sich hin tuckert ... «
»Ich habe eben genau dasselbe gedacht.« Rhodan gab sich Mühe, einen warmen Klang in seine Stimme zu bringen, schaffte es aber nicht so richtig. »Einen Vorteil hat die aktuelle Situation aber: Den raumtemporalen Saugtunnel, den Pral und seine Helfer vorbereitet haben, werden wir nicht mehr benötigen, nachdem sowohl TALIN ANTHURESTA als auch Wanderer im Standarduniversum angekommen sind.«
Aber Mondra Diamond kam gerade erst in Fahrt. »Das nennst du einen Vorteil?« Sie warf den Kopf ein wenig zurück. Ihr schwarzes Haar fiel zurück wie ein Vorhang aus Rabenfedern. »Dafür klafft nun in der Sphäre von TALIN ANTHURESTA ein Loch wie ein ... ein ... «
»Ein offenes Scheunentor?«, fragte Rhodan.
»Ja, genau. Nimm nur einen Begriff aus den grauen Urzeiten, als die Menschheit noch einen Sinn im Hilfsvolkdasein gesehen hat. Was tun wir, wenn VATROX-VAMU und seine Flotte - oder nur Teile seiner Flotte! - die Einladung annehmen und sich einfach so im Vorbeigehen den Handelsstern samt TALIN ANTHURESTA schnappen?«
Rhodan hob die rechte Hand, in der immer noch der Controller lag. »Das werden wir verhindern. Irgendwie. Aber solange VATROX-VAMU an der Stelle verharrt und sich die Jaranoc-Flotte darauf beschränkt, nur ... «
»Energieausschläge!«, rief Mikru.
Gleichzeitig verschwand die diffuse energetische Erscheinung von VATROX- VAMU und materialisierte auf halber Strecke zwischen dem PARALOX-ARSENAL und der zaghaft vor sich hin driftenden und schwach torkelnden Kunstwelt Wanderer.
»Verdammt!«, entfuhr es Rhodan.
*
Betty Toufry:
Sie fühlte sich unwohl.
Mehr noch, es war Angst.
Und wenn es je Grund dazu gegeben hatte, dann in diesen Minuten. Das Ende aller Dinge stand an, und seit sie verstanden hatte, worin dieses Finale bestand, auf das sie unaufhaltsam zutrieben, war Bettys Furcht bloß gestiegen. Genau wie ihre Entschlossenheit.
Sie hatte lange genug gezögert. Sie alle hatten viel zu lange abgewartet und falsche Prioritäten gesetzt! Perry, Atlan, Icho Tolot, die anderen Mutanten ... sogar ES, wenn Betty es richtig beurteilte. Auch die Superintelligenz hatte Fehler begangen, bei aller Notwendigkeit, die sie trieb. Die sie zu unfassbaren Taten zwang.
Zwang?
War das tatsächlich das korrekte Wort? Beschönigte es nicht die Realität?
Betty verscheuchte die müßigen Gedanken und verließ ihre Silberkugel. Die Luft rundum war schal. Oder kam es ihr nur so vor?
Sie stand nun auf dem Transferdeck des riesigen Handelssterns im Zentrum von TALIN ANTHURESTA. Weit über ihr - in vier Kilometern Höhe, wie sie zwar wusste, aber nicht erkennen konnte - wölbte sich die Decke der gewaltigen Kugelhalle. Irgendwo in der Nähe gähnte der scheinbar bodenlose Schacht; sie verschwendete keinen weiteren Gedanken daran.
Nur wenige Schritte vor ihr leuchteten die Röhren der Transferkamine des Polyport-Netzes. Betty schaute sich kurz um; gefühlte tausend Waffen zielten auf die Ausgänge, ganz
Weitere Kostenlose Bücher