26 - Die Sklavenkarawane
antwortete dann: „Herr, das darfst du nicht verlangen!“
„O doch! Ich verlange es. Du hast es ja gehört!“
„Aber wir können es nicht erfüllen!“
„Warum nicht? Es sind ja scharfe Messer genug da, und außerdem haben wir einige Scheren hier, mit denen wir sie schnell herunterschneiden können.“
„Warum willst du uns solche Schmerzen erleiden lassen?“
„Schmerzen? Nehmt euch nur in acht, dann wird es nicht wehe tun!“
„Du irrst. Andern kann man die Compajir leicht nehmen, weil sie das Haar lose tragen. Unsre Compajir aber sind hart und fest gebaut wie Stein. Man weiß nicht, wo der Kopf aufhört und wo die Compajir beginnt.“
„Wenn ihr es nicht wißt, so weiß ich es, denn ich bin Tabib (Arzt) und kenne den Bau des Kopfes ganz genau. Und wenn ich ja einem von euch ein Stück vom Schädel mit wegschneide, so heile ich es ihm sofort wieder an.“
„Nein, nein, Herr! Ich glaube gern, daß du ein großer und berühmter Tabib bist, denn du hast eine Nase, welche fürchterlich groß ist, und wir Abdi wissen recht gut, daß ein Mensch desto klüger und gelehrter ist, je länger seine Nase ist; aber wenn du uns die Compajir auch wirklich schmerzlos herunterschneiden kannst, so wirst du uns doch nicht die Schande antun, uns unsres Schmuckes zu berauben und uns zu zwingen, daheim ohne die größte männliche Zierde vor unsre Frauen zu treten.“
„Ich kann nicht anders“, behauptete der Graue. „Strafe muß sein!“
„Wenn du uns strafen willst“, fuhr der Nuehr voller Angst fort, „so will ich dir einen Vorschlag machen. Ein Nuehr stirbt lieber, als daß er der Lieblichkeit seiner Vorzüge entsagt. Das Los mag unter meinen Leuten entscheiden. Die Hälfte von ihnen mögen mit ihren Compajir nach Hause gehen dürfen, und die anderen magst du töten und ihnen den Schmuck nehmen. Dazu magst du noch extra die Compajir unsrer Toten bekommen.“
Daß er sich in größter Sorge befand, bewies dieser Vorschlag. So ernst er die Sache nahm, so große Mühe hatten die Deutschen, das Lachen zu verbeißen. Pfotenhauer fragte: „Also deine Leute sollen losen? Du doch auch mit?“
„Ich? Nein, ich bin der Anführer und als solcher über das Los erhaben. Bedenke doch, daß ich auch sterben würde, wenn es mich träfe!“
„Ach so! Du willst aber nicht sterben? Nun, das kann ich keinem Menschen übelnehmen und auch dir nicht. Aber mein Gerechtigkeitsgefühl empört sich dagegen, daß einer auf alle Fälle leben bleiben soll, während die andern ihr Leben von dem Zufall abhängig machen müssen. Darum will ich nicht bloß gegen dich milde sein, sondern auch die andern mit meiner Barmherzigkeit erleuchten. Ich verzichte hiermit auf die Compajir, verlange aber, daß du mir an deren Stelle deine Boneta el Badschak (Muschelmütze) überlieferst.“
„Meine Bornata el Lulu (Perlenhut)?“ rief der Schwarze aus, indem er sich mit beiden Händen nach der bereits beschriebenen Kopfbedeckung fuhr und seine Züge sich vor Entsetzen verzerrten. „Herr, das kannst du nicht wollen; das kannst du nicht verlangen! Diese Bornata ist das Zeichen meiner Häuptlingswürde.“
„Das weiß ich wohl, geht mich aber nichts an. Bedenke, daß du damit das Leben von über hundert Nuehrs, auf welche das Los fallen würde, retten kannst.“
„Mögen sie sterben; ich habe nichts dagegen. Kein Schah und kein Malik gibt seine Tadscha (Krone) her, ohne um sie gekämpft zu haben. Was soll dir die meinige nützen, da du doch nicht König der Nuehr wirst sein wollen!“
„Diese Absicht habe ich freilich nicht. Aber du bist besiegt und hast ein Zeichen der Unterwerfung an uns abzuliefern. Etwas andres wäre es, wenn du dich entschließen könntest, dir meine Gnade dadurch zu erwerben, daß du bei uns bleibst und unser Freund und Verbündeter wirst. Dann brauchst du uns weder deine Tadscha noch eure Compajir abzuliefern und würdest vielmehr manches von uns erhalten, was dir nützlich ist und dich erfreuen kann.“
Als der Neger diese Worte hörte, holte er tief und erleichtert Atem und antwortete: „Herr, du machst meine Seele wieder leicht. Ich habe große Angst ausgestanden. Sage mir, in welcher Weise ich euer Verbündeter sein soll!“
„Du sollst mit uns gegen Abu el Mot ziehen, der euch so hinterlistig eurem Schicksal überlassen hat.“
„Herr, das tu ich gern, sehr gern!“ lautete die eilige und energische Antwort. „Es war seine Pflicht, uns zu sagen, daß er fliehen wolle. Er hat uns geopfert, um nur selbst
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