26 - Die Sklavenkarawane
Krokodil, macht, macht!“
Glücklicherweise war der Mann so vorsichtig gewesen, nicht in lautem Ton zu sprechen.
„Von welcher Seite?“ fragte der Steuermann schnell.
„Links“, antwortete der Ruderer.
„Schnell alle auf diese Seite nach links, sonst wirft es das Boot um!“
Lobo wurde förmlich emporgerissen; aber schon war das Tier da – ein gewaltiger Stoß gegen die linke Bootswand –, hätten die Insassen rechts gestanden, so wäre das Fahrzeug umgeworfen worden; so aber widerstand das Gewicht dem Stoß des gierigen Tieres – Lobos Unterschenkel geriet doch noch zwischen die Zähne desselben, aber noch ehe es den Rachen vollständig schließen konnte, wurde er ihnen entrissen. Der Neger stieß einen lauten Schmerzensschrei aus, den seine Verfolger für seinen Todesschrei hielten, und flog herein in das Boot, doppelt blutend, nämlich am Arm, wo ihn der Hund gepackt hatte, und am Bein, von welchem ein ganzes Stück der Wade fehlte. Er schloß die Augen. Es war über seine Kräfte gegangen, und eine Ohnmacht nahm ihn in ihre mitleidigen Arme.
„Ist er tot?“ fragte Schwarz.
„Nein“, antwortete der Graue, welcher sich neben den Neger niedergekniet hatte, um ihn zu untersuchen. „Ein Biß in den Arm, ein Stück Fleisch aus dem Bein und Bewußtlosigkeit, das ist alles.“
„Still“, sprach der Steuerer. „Man spricht am Ufer.“
Sie horchten und vernahmen die Worte, welche dort gesprochen wurden. Sie hörten sogar die Schritte der sich dann Entfernenden.
„Einer ist gerettet, Gott sei Dank!“ sagte Schwarz. „Aber der andre wird in ihre Hände fallen. Wie können wir das verhüten?“
„Wir brauchen es nicht zu verhüten“, antwortete der junge, kluge und umsichtige Steuermann. „Sie werden ihn nicht fangen.“
„Wie kannst du das behaupten?“
„Weil ich ihre Worte gehört habe. Sie haben zwei Hunde verloren. Dieser Neger hat ganz sicher einen getötet, denn er hält selbst jetzt noch das Messer fest in der Hand. Gäbe es noch ein Tier bei den Verfolgern, so wäre er nicht entkommen, sondern zerfleischt worden; auch wäre ihm der Hund gewiß ins Wasser nachgesprungen, um ihn festzuhalten. Gekämpft hat er mit so einem Negerfänger, das zeigt hier die Wunde an seinem Arm. Aus dem allen schließe ich mit Sicherheit, daß es dort am Ufer keinen Hund mehr gibt. Wie wollen sie da den andern Flüchtling finden, da der Wald viele Stunden lang ist und sie seine Fährte nicht riechen können!“
„Du scheinst recht zu haben.“
„Ich glaube nicht, daß ich mich täusche. Warten wir hier also in unsrer Sicherheit ganz ruhig ab, was noch geschieht; dann werden wir wissen, was wir zu tun haben.“
Die beiden Deutschen mußten diesen Sudanesen aufrichtig bewundern. Er machte trotz seiner Jugend den Eindruck eines gereiften Denkvermögens, fast hätte man sagen können, den Eindruck von Überlegenheit. Dabei waren seine Bewegungen und Gesten so ruhig und sicher wie seine Art, sich auszudrücken.
Der Graue hielt dem besinnungslosen Neger ein Riechfläschchen an die Nase. Das wirkte. Lobo begann sich zu bewegen.
„Tolo – halte den – Stamm fest“, flüsterte er, doch ohne die Augen zu öffnen.
Selbst jetzt, noch in halber Ohnmacht, war er nur auf die Rettung seines Freundes bedacht! Pfotenhauer ließ das flüchtige Salz noch einmal wirken; da öffnete der Neger die Lider. Sein noch verschleierter Blick fiel in das männlich schöne, wohlwollend ernste Gesicht Schwarz'. Er schloß die Augen wieder uns sagte lächelnd: „Tolo – du lebst – und ich bei – – – bei dem guten Scheik über – – – über den Sternen!“
„Er meint jedenfalls Gott“, sagte Schwarz. „Ob er ein Christ ist?“
„Christ oder Heide; er ist Mensch, und es soll ihm geholfen werden“, antwortete der Graue.
Er hob den Bugsitz empor, unter welchem sich ein Kasten mit Medikamenten und Verbandzeug befand, und begann die beiden Wunden kunstgerecht zu verbinden, wobei ihm Schwarz mit gleicher Geschicklichkeit half.
In den oberen Nilgegenden werden selbst leichte Wunden, wenn sie eine Vernachlässigung finden, leicht lebensgefährlich. Das erhöht die Sterblichkeit dieser unter der Kriegs- und Mordlust ihrer Nachbarn leidenden Völker bedeutend.
Die Krokodilzähne hatten Fleischfetzen zurückgelassen, welche mit dem Messer entfernt werden mußten. Das konnte nur unter Schmerzen geschehen, infolgedessen Lobo erwachte. Er sah sich im Kreise um.
„Weiße Männer und Sandeh!“ sagte
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