26 - Die Sklavenkarawane
Erlaubst du also, daß ich gegen das Ufer steure?“
„Ja, tu es.“
Das Boot trieb mit dem Strom dem linken Ufer zu, fuhr an der bereits genannten, auf der Schlammbank lagernden Grasinsel vorüber und gewann sodann den Rand des spitzen Feldes von Omm Lufah und Schilf, welches auch schon erwähnt wurde. Dort ließ man den eisernen, scharfen Bongoanker nieder, welcher sofort im Grund festgriff und das Boot zum Stehen brachte.
Vom linken Ufer, in dessen Nähe es lag, konnte man es unmöglich sehen, weil das sehr hohe und dichte Rohr dazwischen stand. Das rechte Ufer war zwar weit entfernt, aber ein sehr scharfes Auge hätte es doch vielleicht zu erkennen vermocht; darum schnitten die Neger so viel Schilf und Rohr ab, um es vollständig in eine kleine Insel verwandeln zu können, welcher man es nicht ansah, daß der Grund derselben in einem vor Anker liegenden Kahn bestand.
Gesprochen wurde nur leise; dabei strengte man das Gehör an, um sich kein Geräusch am Ufer entgehen zu lassen. Man hatte die Maskierung des Bootes noch nicht beendet, da drangen unverständliche Laute herbei, welche einer menschlichen Stimme anzugehören schienen. Die Insassen des Bootes lauschten mit angestrengtester Aufmerksamkeit, bei sich selbst jedes Geräusch vermeidend.
Der junge Dumandschi (Steuermann) erhob sich von seinem Sitz, um besser hören zu können.
„Es sind zwei Neger, welche dort am Ufer sprechen, nicht weit abwärts von uns“, sagte er leise.
„Woher weißt du das?“ fragte Schwarz.
„Ich verstand nur wenige Worte, welche der Sprache der Belanda angehören, die nur von Schwarzen gesprochen wird.“
„Was sprachen sie?“
„Das weiß ich nicht. Die Worte gehörten mehreren Sätzen an. Rettung – sterben – Sklavenjäger, das habe ich gehört.“
„Ach! Vielleicht sind es verfolgte Sklaven.“
„Dann sind sie gewiß Abd el Mot entsprungen.“
„So müssen wir sie retten. Wir nehmen sie in unser Boot auf.“
„Das müssen wir uns vorher überlegen, Effendi. Ich bin bereit, jeden verfolgten Menschen zu retten, vorher aber muß ich überzeugt sein, daß ich mich damit nicht dem gewissen Tod in die Arme werfe. Gefahr kann ja dabeisein, vor ihr schrecke ich nicht zurück; aber einem sichern und voraussichtlichen Tod weihe ich mich nicht, denn dann wäre ja auch der, den ich retten will, mit verloren.“
„Du sprichst wie ein gelehrter und erfahrener Mann.“
„Spotte nur, aber gib mir recht. Horch!“
Man hörte jetzt wütendes Hundegebell und rufende Menschenstimmen.
„Scheïtan! Da läuft einer und weiter vorn der andere, wenn ich mich nicht irre. Schnell nach, schnell nach!“ klang es deutlich herüber.
Das war der Ausruf Abd el Mots, als er Lobo erblickte. Dann folgte wütendes Hundegebell und durcheinander brüllende Männerstimmen.
„Laß doch den Hund los!“ rief jemand.
„Zwei Sklaven sind es, welche verfolgt werden!“ sagte Schwarz. „Wir müssen sie retten!“
Er griff nach seiner Büchse. Auch der Graue nahm sein Gewehr und stimmte bei: „Schießen wir die Halunken nieder!“
„Still, still“, bat der Steuermann. „Es scheinen der Verfolger gar viele zu sein, und jedenfalls gehören sie zu Abd el Mot. Wollen wir uns ihnen zeigen, ohne die Neger retten zu können? Das würde unklug sein. Und ehe wir den Kahn vom Anker losbringen und das Ufer erreichen, kommen wir zu spät, weil die Jagd schon vorüber ist. Horch! Ein Schrei. Da starb einer. Er sprang in das Wasser. Lebt er noch, so holen ihn die Krokodile!“
Er trat auf die Steuerbank; die andern stellten sich auf die Ruderbänke, um über das maskierende Schilf hinwegsehen zu können. In diesem Augenblick kam Lobo um die Spitze des Schilffeldes geschwommen. Der Steuermann schob das Rohr mit den beiden Armen auseinander, um von ihm gesehen zu werden und winkte ihm. Lobo stutzte. Das war der Augenblich, in welchem seine Verfolger sagten, er müsse etwas gesehen haben. Der Schuß Abd el Mots fiel.
„Schnell, schnell – die Krokodile!“ rief der Steuermann dem Neger zu.
Dieser sah einen Menschen scheinbar oberhalb des Wassers stehen. Seine Kräfte verdoppelten sich, und er schnellte sich mit einigen starken Stößen herbei. Schon ergriff er mit den Händen den Rand des Bootes und mehrere Arme streckten sich aus, ihn hereinzuziehen; da warnte einer der Ruderer, welcher zufällig einen Blick hinaus auf den freien Strom und nach der Grasinsel geworfen hatte: „Et Timsah, et Timsah, amal, amal – das Krokodil, das
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