260 - Fly me to the moon
fragte er.
Hi’schi faltete die Glieder seiner vierfingrigen Hand. »In dem Gefangenenlager, aus dem ich floh, gab es die verschiedensten Kreaturen. Ich bedauere, dass ich sie nicht befreien konnte – aber das hätte meine eigene Flucht vereitelt.« Schmerz schwang in Hi’schis Stimme mit. Als würde die Erinnerung eine alte Wunde wieder aufreißen.
»Was haben die Daa’muren mit euch angestellt?«, fragte Vogler.
Hi’schi blickte auf. »Sie… forschten nach Möglichkeiten, die Gestalt ihrer Echsenkörper beliebig zu wandeln. Unser Erbgut wurde verändert.«
»Und deine Fähigkeit ist es, jede Gestalt vorzutäuschen«, stellte Vogler fest.
Hi’schi bestätigte. »Wie es genau funktioniert, weiß ich nicht. Ich verwandele mich nicht wirklich, nur in den Augen derjenigen, die mir begegnen. Sie sehen in mir, was sie sehen wollen.«
»Oder was sie zu sehen erwarten«, führte Vogler weiter aus. »Beeinflusst du es über deine Willenskraft?«
»Nein, ich habe keinen Einfluss darauf«, antwortete Hi’schi. »Aber ich scheine etwas auszustrahlen… oder eher auszudünsten, was die Vorstellung meines Gegenübers beeinflusst.«
»Pheromone«, murmelte Vogler. »Ich habe so etwas schon vermutet.« Gleichzeitig dachte er über die Motive der Daa’muren nach. Offenbar hatte es eine Zeit gegeben, da sie noch unentschieden gewesen waren, welchen Weg der Gestaltwandlung sie einschlagen wollten. Sie hatten in alle möglichen Richtungen experimentiert, unter anderem mit den Kräften, die Hi’schi innewohnten. Aber letztlich hatten sie sich für eine andere, handfestere Methode entschieden.
Vogler kannte die Fähigkeit der Daa’muren, ihre winzigen Schuppen so zu verschieben, dass sie beinahe jedes beliebige Aussehen annehmen konnten. Das war weit effektiver als eine mentale Beeinflussung.
Als er schwieg, schienen ihn die Augen der Echse zu fragen:
»Glaubst du mir?«
Vogler war überzeugt davon, dass der Mutant die Wahrheit gesagt hatte. Nur ob er ihm deshalb trauen konnte, dessen war er sich nicht sicher. Allein schon die Tatsache, dass er ein Geschöpf der Daa’muren war, gemahnte ihn zu äußerster Vorsicht.
Nun, das würde sich alles noch klären lassen. Wichtig war jetzt erst einmal, dass sie Clarice aus ihrem Gefängnis befreiten.
Vogler erhob sich. »Das genügt fürs Erste«, sagte er. »Wenn du weiterhin kooperierst, hast du nichts zu befürchten.« Er öffnete die Kabinentür. »Du wirst hier drinnen warten«, wies er Hi’schi an.
»Wir holen Clarice, und dann beraten wir, was weiter mir dir geschieht. Ich hoffe in deinem Interesse, dass ihr nichts passiert ist.«
Hi’schi hob die Hände. »Sie ist unverletzt. Ich habe sie mit Pflanzenfasern gefesselt, die brüchig werden, wenn sie austrocknen. Damit sie sich selbst befreien kann.«
»Wo genau hast du sie versteckt?«
»In einer Grube im Höhlenboden, unter einer Abdeckung aus geflochtenen Zweigen. Ich bin sicher, es geht ihr gut!«
Vogler nickte. »Das hoffe ich.« Er trat über die Schwelle. »Verhalte dich ruhig und mach keinen Ärger!« Damit schloss er die Kabinentür und verriegelte sie von außen. Er verzichtet darauf, Hi’schi erneut zu betäuben.
Dann suchte er das Cockpit der Raumfähre auf. Durch das Fenster konnte er die sinkende Sonne sehen. Eine halbe Stunde noch, höchstens vierzig Minuten, dann würde es dunkel sein. Die Dämmerung war kurz in diesen Breiten. Die Nacht würde ihre Suche erschweren; sie mussten sich beeilen.
Da es bei der Höhle keinen ausreichenden Landeplatz gab, hatten die beiden Saintdemars den Mechanismus vorbereitet, der zum Abseilen gebraucht wurde. Titus Tsuyoshi würde das Shuttle dicht über den Baumwipfeln halten, während sich Vogler hinab ließ.
Ohne Exoskelett und Helm konnte er sich weitaus besser bewegen als die auf dem Mond stationierten Marsianer.
Tsuyoshi meldete, dass alles bereit war. Sie nahmen ihre Plätze ein. Das Shuttle erhob sich in die Lüfte, Sand wirbelte zu allen Seiten davon.
Vogler gab die Richtung vor. Auf dem kurzen Flug sah er sich noch einmal die Aufnahmen an, die von der Schleusenkamera gemacht worden waren und die Hi’schi als echsenartige Lebensform zeigten. Obwohl das Wesen einem Daa’muren ähnelte, gab es doch deutliche Unterschiede in der Physiognomie. Glücklicherweise!
Einen Daa’muren an Bord zu haben, hätte höchste Gefahr bedeutet.
Aber allein schon die Ähnlichkeit jagte Vogler einen Schauer über den Rücken.
Er blätterte die visuellen
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