260 - Fly me to the moon
jetzt weiter mit ihm geschehen?« Clarices Blick schweifte von Vogler zu den anderen Marsianern im Passagierraum des Shuttles.
»Er hat den Wunsch geäußert, auf einem der Kontinente ausgesetzt zu werden«, sagte Vogler mit einem Seufzen. »Aber dann würde alles von vorn beginnen. Schlimmer noch: Käme er in eine größere Stadt, gäbe es bald Mord und Totschlag, weil sich jeder um Hi’schi reißen würde. Spätestens aber dann, wenn die Getäuschten die Wahrheit erkennen.«
»Habt ihr ihn deshalb betäubt und gefesselt?«
»Hatten wir eine Wahl?«, warf einer von der Shuttle-Crew ein, Brag Saintdemar. »Gerade Sie sollten erkannt haben, wie gefährlich dieses… Ding ist.«
»Er ist kein Ding«, protestierte Clarice. »Dass er mich entführt hat, geschah aus Verzweiflung. Und dass die Insulaner ausgerechnet jetzt kommen und seinen Kopf fordern würden, konnte er nicht wissen.«
Brag Saintdemar legte den Kopf schief. »Sicher?«
Wieder wollte Clarice impulsiv antworten, zögerte dann aber.
Nein, sicher konnte sie nicht sein. Es hätte zu gut gepasst: Hi’schi wäre in Sicherheit gewesen, und seine Verfolger hätten ihr Opfer bekommen. Aber nein , dachte sie. Das war bestimmt nicht seine Absicht.
Oder…?
»Wie dem auch sei«, sagte Vogler. »Wir haben beschlossen, ihn erst einmal in diesem Zustand zu belassen und zur Mondstation mitzunehmen. Von dort werden wir die Marsregierung kontaktieren und um weitere Instruktionen bitten.«
Titus Tsuyoshi hatte bereits bei Valgerd Bodvar Angelis um Erlaubnis ersucht, den Mutanten zur Station mitbringen zu dürfen. Es war ihm unter der Auflage gestattet worden, Hi’schi zu betäuben und zu entgiften. Unter der gläsernen Kojenabdeckung lief die Dekontamination bereits auf vollen Touren.
Vogler nutzte die stehende Verbindung, um gleich noch eine persönliche Bitte vorzubringen: Die Erdoberfläche nach Tachyonenstrahlung zu scannen. So hoffte er Matthew Drax aufzuspüren. Vielleicht konnte der Freund Hilfe gebrauchen; sie hatten schon so lange nichts mehr von ihm und Aruula gehört.
»Bedenken Sie, was Commander Drax für den Mars getan hat!«, leistete er Überzeugungsarbeit. »Ohne ihn hätten wir die Geheimnisse der Hydree nie enträtseln können.« [2]
Schließlich gab Angelis seine Einwilligung – ebenfalls mit einer Einschränkung: »Das von uns erwartete Raumschiff mit der Wachablösung hat bereits Position im Mondorbit bezogen. Ich gebe Ihnen zwei Stunden, keine Minute länger! Der Rückflug zum Mars muss innerhalb der nächsten dreißig Stunden erfolgen, sonst verpassen wir das optimale Zeitfenster. Haben wir uns verstanden?«
Vogler lächelte dankbar. »Alles klar.«
***
Weder Tee noch Wärme oder der gezielte Einsatz von Kälte halfen merklich, Aruulas Fieber zu senken oder ihre Schmerzen in einem Maß zu lindern, dass es für sie erträglicher gewesen wäre.
Matt verließ kaum noch das alte Cottage. Er wagte es nicht, seine Geliebte auch nur für Minuten sich selbst zu überlassen, obwohl die Erschöpfung insoweit über die Qualen gesiegt hatte, dass Aruula vor einer Stunde in einen unruhigen Dämmerzustand gefallen war.
Sie litt weiter, aber nicht mehr bei klarem Bewusstsein.
Matt, der um sie bangte wie selten zuvor, fragte sich, ob dies bereits das Endstadium der Erkrankung war. Sie hatte nur ein paar Schlucke getrunken, obwohl er ihr wieder und wieder zugeredet hatte, dass ihr Körper Flüssigkeit brauchte. Doch sie schien den Widerwillen oder die Übelkeit nicht unterdrücken zu können. Andererseits schwitzte sie viel. Ihr dunkles Haar klebte auf ihrer Kopfhaut. Der wächserne Teint und das leise Rasseln ihres Atems taten ein Übriges, um Matt das Schlimmste befürchten zu lassen.
Im Nachhinein war es unverantwortlich und dumm gewesen, sich von allen Gefährten zu trennen und allein nach Anns Verbleib zu forschen. Es war, als hätten sie eine Situation wie diese geradezu herausgefordert. Jetzt musste er befürchten, dass er nach Jennifer Jensen auch Aruula verlor… und im Endeffekt vielleicht auch noch seine Tochter Ann.
Die Selbstvorwürfe wucherten wie eine bösartige Geschwulst in Matt. Seufzend schloss er die Augen, versuchte zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Doch die Hand, die auf Aruulas Stirn lag, hinderte ihn daran. Diese Hand verriet, wie es um sie bestellt war. Das Fieber schien noch weiter zu steigen, und er glaubte ihren trommelnden Herzschlag selbst unter den Fingerkuppen, die ihre Stirn und Schläfe berührten, zu
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