264 - Verschollen
gewaltiger Bienenschwarm. Niall legte seine Waffe an.
»Was hast du vor?«, wollte Martha wissen.
»Abschießen.«
»Aber das ist eine Maschiin!«
Für Niall spielte es inzwischen keine Rolle mehr, ob das Ding da oben Lebewesen oder Maschine war. Es hatte hier nichts verloren. »Egal«, brummte er, »und jetzt ruhig, muss mich konzentrieren.« So viele Worte hatte er den ganzen Winter über nicht gesprochen. Doch seine Frau honorierte das nicht. Im Gegenteil! Sie entriss ihm die Flinte und nahm die Zügel in die Hand. Mit knallender Peitsche trieb sie die Wakudas vorwärts.
Der alte O'Donel warf ihr einen verwunderten Blick zu. »Hm«, brummte er. Während sich der Karren nur langsam in Bewegung setzte, wandte er sich noch einmal um. Und sah, dass der Eisenvogel weitergeflogen war und Kilometer entfernt zur Landung ansetzte. Niall nickte energisch und steckte die Flinte zurück in ihr Futteral. Er hatte das Ding verjagt, was auch immer es gewesen sein mochte!
***
10. Februar 2526, Minuten zuvor
Das Licht der Abendsonne lag als glitzernder Schleier auf dem Meer. Über unzählige kleine Inseln und Buchten flogen sie hinweg. Manchmal sahen sie den Schatten ihrer Raumfähre über die Strände gleiten. Dort, wo kein Schnee die Hügel bedeckte, die sich der Küstenlandschaft anschlossen, waren sie von einem Grün, das sogar Tartus Marvin Gonzales den Atem raubte. Niemals hätte er ein derartiges Grün für möglich gehalten. Auch die anderen drei staunten mit offenen Mündern und glänzenden Augen.
»Meine Mutter wollte das immer sehen«, sagte Tita Athena leise. »Das war ihr größter Traum: einmal zur Erde fliegen…«
»Nun siehst du es. Freu dich.« Tartus Marvin kontrollierte die Instrumente. Keine Probleme, alle Systeme funktionierten einwandfrei.
»In den Datenbanken der Mondstation habe ich alles gelesen, was über Irland gespeichert ist«, sagte Braxton. »Doch was ich jetzt mit eigenen Augen sehe, übertrifft alle meine Erwartungen.«
»Kursänderung«, sagte Tartus Marvin. »Wir fliegen das Dorf an, in dem Drax' Kleine zuletzt mit ihrer Mutter lebte.« Er holte eine Karte auf einen der Arbeitsmonitore. Das Shuttle ging tiefer, flog ein Stück landeinwärts, das Meer aber blieb im Aufnahmebereich der Außenkameras.
»Die Siedlung da…!« Tartus Marvins Blick flog zwischen Frontscheibe, Hauptmonitor und der Karte auf dem Monitor hin und her. »Das muss Luimneach sein!« Eine größere Stadt, vermutete Tartus. »Tachyonenscanner konfigurieren!«
Yiling Kyi Angelis tat, was der Kommandant befahl.
Auf einmal ging ein Ruck durch das Shuttle, die Maschine sackte ab. Alle hielten sich an den Armlehnen fest und machten erschrockene Gesichter. »Der Bordrechner ist abgestürzt!«, schrie Braxton.
»Auf manuelle Steuerung umschalten!«, befahl Tartus Marvin. Er beobachtete angespannt das breite Flussband unter ihnen. Dann folgten vereinzelte Hütten inmitten von Weidefläche. Mehr sah man nicht. Der Boden stürzte ihnen entgegen.
»Wie kann das sein?« Tita Athena hockte verkrampft auf der Kante ihres Sessels. »Verdammtes Ding! Tut endlich was…!«
»Kein böses Wort mehr über die Maschine!« Braxton grinste gequält. »Hab alles unter Kontrolle!« Das Shuttle schwankte, der Boden flog immer noch beängstigend schnell heran, man sah einen schneefreien Weg, das Wrack eines verrosteten und von Unkraut überwucherten Fahrzeugs im hohen Gras - und einen Karren mit zwei Menschen, der über den Weg holperte. Ein großes gehörntes Tier zog ihn.
Endlich konnte Braxton den Sturzflug abfangen. Im Vertikalflug senkte das Shuttle sich nun dem Boden entgegen. Über die Bugkamera sahen sie das Horntier, den Karren und die Leute darauf nun deutlicher. Der Mann zielte mit etwas, das nach einer Waffe aussah, auf sie. Unwillkürlich duckten Tita und Braxton sich weg. Doch die Frau draußen auf dem Karren entriss dem Mann das Ding und hieb mit der Peitsche auf das Horntier ein. Der Karren entfernte sich holpernd.
»Sie wollten auf uns schießen!« Braxton setzte die Stützbeine der Maschine auf dem breiten Weg auf. »Habt ihr das gesehen? Die Nachkommen unserer Vorfahren wollten auf uns schießen …!« Er war fassungslos.
»Hast du erwartet, dass sie anklopfen, um dir die Füße zu küssen?«, fragte Tita Athena spitz.
Fieberhaft arbeiteten sie, um den Rechner wieder zu starten und den Grund für seinen Absturz zu finden. Braxton und Angelis gelang es schließlich, den Bordcomputer und die von ihm abhängigen
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