265 - Das letzte Tabu
Er war vollkommen eingenommen von ihrem Charisma, und wenn er es richtig einschätzte, wurde sie auch in der Ratsrunde, die sich vor ihr formiert hatte, wertgeschätzt. Eine Idealposition für eine Politikerin - und das war sie letztlich.
Sie kann aber auch auf ein tragfähiges Fundament bauen, dachte Matt. Maya Joy Tsuyoshi hatte Astrophysik und Astronomie studiert, sich später in mehreren technischen und wissenschaftlichen Disziplinen fortgebildet und schließlich das strenge Auswahlverfahren gemeistert, um an einer Erdmission teilnehmen zu dürfen. Dann die Ermordung ihres Vaters John Carter Tsuyoshi, der Tod ihres früheren Lebensgefährten Lorres Rauld Tsuyoshi, bevor sie in Leto Jolar Angelis endlich dauerhaftes Glück fand… Ja, sie hatte vieles durchlitten und Unglaubliches bewältigt - aber vergleichsweise wenig davon hatte bleibende Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen, das nicht frei war von Fältchen, aber immerhin frei von Gram.
Matt nötigte es Bewunderung ab, einmal mehr. Er konnte nicht anders, als sich geehrt zu fühlen, von dieser Frau empfangen zu werden.
Aber auch sie war ihm gewogen. Das zeigte die Art, wie sie wenig später, auf dem Podest, seine Hand in ihre Hände nahm und ihm einfach nur lange und stumm in die Augen schaute. Dasselbe tat sie auch bei Matts Gefährtin. Und dann erst erhob sie die Stimme. »Willkommen.«
Matthew war so ergriffen von der Freundlichkeit, ja fast greifbaren Zuneigung, die ihnen von der Friedenspräsidentin entgegengebracht wurde, dass er zunächst nichts erwidern konnte.
Aber dann überwand er sich. »Nichts und niemand übertrifft deine Gastfreundschaft - ich danke dir für diesen Empfang… auch im Namen meiner Gefährtin.«
Die anderen Anwesenden verfolgten die Begrüßung stumm, aber, wie es Matt vorkam, mit überwiegendem Wohlwollen.
Maya dirigierte sie hinter das Pult, Aruula zu ihrer Linken, Matt zu ihrer Rechten. Die nächsten Worte richtete sie an die Versammelten. »Ich habe Matthew Drax als Mann der Tat kennengelernt. Wenn er nun gekommen ist, um Dinge von außerordentlicher Dringlichkeit zur Sprache zu bringen, dürfen wir sicher sein, dass er es damit hält wie mit seinen Taten: Er wird nicht lange um den heißen Brei herumreden. Und so erteile ich ihm, ebenfalls ohne viel Aufhebens, hiermit das Wort.«
Matt war ein wenig überrumpelt, weil er nicht erwartet hatte, so schnell sein Anliegen vortragen zu können. Doch er tauschte einen Blick mit Aruula und dann mit Maya, und das genügte ihm, sich zu sammeln.
Er räusperte sich. »Ich danke der verehrten Präsidentin und dem Rat, dass ich hier und heute sprechen darf - über die Gefahr, in der wir alle schweben. Ganz gleich, ob wir auf der Erde oder dem Mars beheimatet sind: Mit dieser Bedrohung können wir nur fertig werden, wenn niemand die Augen vor ihr verschließt und wir alle verfügbaren Kräfte mobilisieren. Wir nennen sie den Streiter …«
Er sprach alle Punkte an, die ihm auf der Seele brannten - und hatte durchaus das Gefühl, auf offene Ohren zu treffen.
Zunächst beschrieb er noch einmal, so gut er es vermochte und es in seiner traumatischen Geistreise gesehen hatte, die Natur des Streiters, seine Zerstörungskraft, seine Art, Kundschafter - die Finder - auszusenden, um seine Jagdbeute - die Wandler - zu lokalisieren, um an deren Versteck schließlich selbst aufzutauchen. Ein solcher Wandler war vor fünfhundert Jahren auf die Erde gestürzt und als Komet »Christopher-Floyd« fehlinterpretiert worden. Er hatte den Planeten inzwischen wieder verlassen und seine Dienerrasse - die Daa'muren - mitgenommen, doch der Ruf des hiesigen Finders musste den Streiter bereits hierher bestellt haben. Die kritische Endphase kündigte sich mit dem Erscheinen eines Schwarzen Lochs an, das der Streiter erschuf, um kosmische Entfernungen zu überbrücken.
Hier kam Matt auf den Virtuellen Cortex zu sprechen, den Verbund aus drei neuartigen Teleskopen, der zeitgleich auf Luna, Phobos und Deimos getestet wurde. Von ihm, daraus machte er keinen Hehl, erhoffte er sich die Grundlagen, um ein Frühwarnsystem aufzubauen, das die genaue Position des eintreffenden Feindes bestimmen konnte. Und diese Lokalisierung wiederum würde Grundlage für effektive Gegenmaßnahmen sein.
Als Nächstes berichtete Matt von einer hydritischen Vernichtungswaffe am Südpol der Erde, die durchaus vielversprechend im Einsatz gegen die kosmische Gefahr hätte sein können… wenn sie denn geladen wäre. »Um den
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