Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
Vom Netzwerk:
Aufschrift CITA MORS RUIT(Schnell eilet der Tod), eine Stimmflöte und drei faustgroße, schwarz-rot gesprenkelte Eier. Welch eigenartiger Vogel mochte sie gelegt haben?
    Aber Sepp wollte sich in luftiger Höhe nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten; zudem drängte es ihn zu erfahren, was Helmoot da unten trieb. Also grabschte er sich ein Ei und warf es mit einer geschickten Drehung seiner Hand in die Umhangkapuze.
    Leider ging der Wurf daneben und das Ei sauste in die Tiefe. Sepp hörte das Knacken der Schale und stieß einen schweizerischen Fluch aus. Der nächste Versuch klappte viel besser, aber leider auch nicht hundertprozentig. Das dritte Ei warf er nicht. Vermutlich kam es deswegen dort an, wo es ankommen sollte.
    Prüfung Nummer eins: erledigt! Jetzt hurtig nach unten!
    Als Sepp sich an den Abstieg machen wollte, rauschte es über ihm, und als er den Kopf hob, sah er -
    - einen Vogel, was sonst? Genauer: einen großen Vogel. Noch genauer: einen großen, sehr wütenden Vogel!
    Er war größer als Sepp und kahlköpfig. Sein gekrümmter Schnabel war gelb und sah gefährlich aus. Seine gelben Augen sprühten vor Zorn ob des Nesträubers. Noch schlimmer waren aber seine Krallen, länger als Sepps Finger, so dick wie Strohhalme und so spitz wie die Dolche des Orients.
    Der Vogel gehörte zur Spezies der Vultuuren(mutierte Geier), denen man nachsagte, dass sie jeden, der ihre Gelege plünderte, in Streifen rissen und diese am Rand ihrer Nester so lange zum Trocknen aufhängten, bis ihre Brut groß genug war, um sie zu verzehren.
    Dass Käpt'n Rotbaad ihn zum Eierdiebstahl ausgerechnet auf diesen Schornstein geschickt hatte, löste in Sepp herbe Enttäuschung aus. Bestimmt war das Absicht gewesen!
    Nun blieb ihm nichts weiter, als sein Schwert zu zücken, denn schon stürzte sich der Vultuur mörderisch kreischend auf ihn, um seine Krallen in Sepps Fleisch zu schlagen. Sepp fauchte eine Salve der mörderischsten Schweizer Verwünschungen und schlug um sich. Leider war er dadurch gehandikapt, dass er gleichzeitig seinen Halt nicht verlieren durfte.
    Als sich die erste Kralle der kreischenden Bestie in sein gestepptes Wams bohrte, ahnte Sepp, was ihm nun blühte, und er ließ die Klinge fahren, um sich auch mit der zweiten Hand an der Sprosse festzuhalten.
    Zu seinem Erstaunen stellte der Vultuur aber schon Sekunden später seine Bemühungen ein, Sepp von der Leiter zu reißen, verdrehte die Augen - und sauste dann wie ein krächzender Stein in die Tiefe, um auf den Steinplatten im Hinterhof der ehemaligen Strickerei sein Leben auszuhauchen.
    Sepp verharrte an der Schornsteinspitze und klammerte sich weiterhin fest. Er schlotterte am ganzen Leibe. Was war passiert? Er hatte keine Ahnung.
    Nach einigen Minuten sah er ein, dass es wenig brachte, hier oben auf den Morgen zu warten, und er nahm sein Herz in die Hand und kletterte abwärts.
    Auf dem Weg nach unten hielt er mehr als einmal inne, um Luft zu schnappen und sein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. Außerdem wollte er wissen, ob jemand seine Heldentat beobachtet hatte. Er sah niemanden, nur Helmoot, der in einer dunklen Ecke sein Wasser abschlug. Er hatte wohl viel getankt, denn er fand kein Ende.
    Smörebröd lag totenstill im Schein des Mondes da, und…
    He! Sepp hob den Kopf. Da war etwas Helles am Horizont aufgetaucht! Waren das die Segel eines Schiffes?
    Er dachte an seine dritte Prüfung: den Klau der Zahlmeisterkasse. Möglich, dass da gerade sein Opfer einlief. Nun, vorher sollte er vielleicht erst die zweite Prüfung absolvieren…
    Am Boden angekommen, schaute Sepp sich um. Der Vultuur lag mit zerschmettertem Leib in einer Blutlache auf dem Pflaster. Ein eiserner Bolzen, der zu einer Armbrust gehörte, steckte in seinem Wanst.
    Blondyne stand mit ihrem Korb an der Hand nicht fern entfernt in einem Hauseingang.
    »Ihr hier?«, fragte Sepp wenig intelligent. »Zu dieser späten Stunde?«
    Blondyne kicherte. »Ich war Pilze sammeln.« Sie schwenkte ihren Korb. »In den feuchten Kellern dieser alten Gemäuer wachsen die fettesten.« Sie trat näher. »Ich habe Euch mit der Bestie kämpfen sehen, Sepp, und da dachte ich mir: Alle Achtung, der junge Mann hat Mumm!«
    Sepp bedankte sich artig - und fragte sich dabei, wie wohl der Armbrustbolzen in den Vultuur gelangt war. Irgendwer musste ihn doch abgeschossen haben. Er schaute sich argwöhnisch um.
    »Sucht Ihr jemanden?«, fragte Blondyne.
    »Ach, nein, nicht unbedingt.« Sepp wollte ihr keine Angst

Weitere Kostenlose Bücher