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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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einjagen. Eigentlich wollte er auch nicht, dass ihre zweifellos zarte Seele den Anblick des toten Vultuurs ertragen musste. Deshalb bot er ihr an, sie dorthin zu begleiten, wohin sie wollte; Hauptsache, sie kam aus diesem finsteren Hof heraus, in dessen Ecken es unheimlich knisterte.
    Leider hatte Blondyne kein anderes Ziel als das Haus ihrer Großmutter, sodass Sepp, als er sie dort abgeliefert hatte, der Verdacht kam, dass sie nicht ganz ehrlich zu ihm war.
    Doch Sepp Nüssli war viel zu verschossen in die kleine Frau, als dass er ihr sein Misstrauen gezeigt hätte. So wünschte er ihr artig eine gute Nacht und trollte sich.
    Es hätte seine Fragen allerdings zur Gänze beantwortet, hätte er einen Blick in Blondynes Korb werfen können - denn dort lagen gut verstaut und mit einem karierten Tuch verdeckt eine Armbrust nebst Bolzenköcher.
    Und Pilze hatte Blondyne damit ganz sicher nicht gejagt…
    ***
    Am nächsten Morgen lieferte Sepp das Vultuur-Ei pflichtgemäß bei Piratenkapitän Rotbaad in der Schänke »Zum Glatze« ab, wo der wilde Haufen anscheinend genächtigt hatte - oder bereits wieder zugegen war, um sein flüssiges Frühstück einzunehmen.
    Sepp sparte nicht mit Details seiner nächtlichen Heldentat, wonach er den angreifenden Vultuur im freien Fall erdrosselt und seinen Sturz mit einem beherzten Griff nach einer Leitersprosse gestoppt hatte. Die Freibeuter - sofern sie der Erzählung folgen konnten - machten große Augen und sparten ihrerseits nicht mit Lob. Rotbaad wies den Wirt an, ihm aus dem Ei ein Omelette zuzubereiten.
    Dann war es an der Zeit, die nächste Prüfung anzugehen.
    Sepp ersuchte darum, doch wenigstens seine Kleidung anbehalten zu dürfen, doch Rotbaad blieb hart: Die Stadtwache sollte nicht nur beleidigt, sondern auch noch neidisch gemacht werden. Sepp nahm das als Lob, war sich aber nicht sicher, ob sein bestes Stück tatsächlich geeignet war, Neid auszulösen.
    Sepp Nüssli, Ex-Spion und Piraten-Anwärter, machte sich auf den Weg. Er war froh, dass Blondyne nicht in der Schenke gewesen war. Dabei hatte er gedacht, sie für einen Sekundenbruchteil draußen am Butzenscheibenfenster zu sehen, während er seine Geschichte zum Besten gab. Aber warum hätte sie sich dort herumtreiben sollen, anstatt einzutreten? Nein, es musste eine Sinnestäuschung gewesen sein. Und das war gut so, denn bei dem, was nun folgte, hätte er sich nie und nimmer von ihr begleiten lassen.
    Wenig später erspähte seines scharfen Auges Blick in einem schmalen Gässchen am Markt drei muskulöse, behelmte Männer in Kettenhemden. Sie standen vor der Tür eines schiefen Hauses, über dessen Tür ein Schild vermeldete, dass sich hier die STADTWACHEN-ADMIRALITÄT befand. Die Gardisten waren groß, stark, blond und bärtig und schienen nur darauf warten, dass ein frecher kleiner Mensch des Weges kam und vor der Admiralität auf den Boden rotzte.
    Sepp befand sich nach seinem Sieg über den Vultuur in einem Zustand wilder Hoffnung: Das Glück war ihm hold! Er würde die zweite Prüfung im Handumdrehen absolvieren und sich im Laufe des restlichen Tages auch noch den Zahlmeister des Schiffes vornehmen, das er am Vorabend gesichtet hatte. Und wenn die Freibeuter ihn erst in ihrer Mitte aufgenommen hatten, würde er die größte Prüfung in Angriff nehmen: seiner Angebeteten seine Aufwartung zu machen.
    Im Hochgefühl dieser Aussichten entledigte sich Sepp seiner Kleider, deponierte sie in einem Hauseingang und huschte wie ein nacktes Wiesel übers Pflaster der Promenade. Bislang ungesehen, bog er in das Gässchen ein, in dem die Wachmänner beisammen standen und plauderten.
    Als Sepp wie aus dem Nichts auftauchte, stellten sie ihre Gespräche umgehend ein, was daran liegen mochte, dass ihre Kinnladen heruntersackten. Mit einem ausnehmend dämlichen Ausdruck auf den bärtigen Gesichtern verfolgten sie den heranhüpfenden Sepp und hatten sich von dem Schock noch nicht erholt, als er ein paar Schritte vor ihnen stehen blieb, die Hände wie Vogelschwingen hinter seine Ohren legte und ihnen die Zunge herausstreckte.
    »Ihr seid feige Memmen«, krähte Sepp, »eine Schande eurer Zunft!«
    Die Stadtgardisten schauten sich an, und dann sagte einer von ihnen etwas Seltsames: »Ist er das?«
    »Muss er wohl«, entgegnete der zweite, und der dritte fügte an: »Mann, der ist ja wirklich schräg!«
    Sepp wurde kurz aus dem Konzept gebracht. Kannten ihn die Burschen etwa? Aber woher? Und noch wichtiger: Warum zückten sie nicht

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