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Tag in Begleitung eines Taxifahrers abklapperte, der jedes Mal draußen auf ihn wartete. Es gelang ihm, mit zwei Priestern zu sprechen, dem von San Tadeo und dem von Santa Catalina, die wenig zu seinen Nachforschungen beizutragen hatten, nur dass der Pfarrer von Santa Catalina ihm riet, die Augen offen zu halten, weil der Kirchenschänder und jetzt auch Mörder seiner Ansicht nach nicht die schlimmste Geißel von Santa Teresa sei. Bei der Polizei bekam er eine Kopie des Phantombildes und einen Termin für ein Gespräch mit Juan de Dios Martínez, dem zuständigen Kriminalbeamten. Am Nachmittag sprach er mit dem Bürgermeister der Stadt, der ihn zum Essen in ein Restaurant einlud, dessen nackte Steinwände vergeblich an Gebäude der Kolonialzeit zu erinnern versuchten. Das Essen aber war ausgezeichnet, und der Bürgermeister und zwei subalterne Beamte bemühten sich, mittels lokaler Anekdoten und anzüglicher Witze keine Langeweile aufkommen zu lassen. Am folgenden Tag versuchte er vergeblich, ein Interview mit dem Polizeichef zu bekommen, statt seiner erschien ein anderer Beamter, sicherlich der Pressesprecher der Polizei, ein junger Mann und frischgebackener Jurist, der ihm eine Mappe mit allen Unterlagen einhändigte, die sich ein Journalist nur wünschen konnte, um einen Bericht über den Büßer zu schreiben. Der junge Mann hieß Zamudio und hatte nichts Besseres zu tun, als mit ihm den Abend zu verbringen. Sie gingen essen, dann in eine Diskothek. Sergio González war sich sicher, eine solche Einrichtung nicht mehr betreten zu haben, seit er sechzehn war. Das sagte er Zamudio, und der lachte. Sie luden zwei Mädchen ein, etwas mit ihnen zu trinken. Die beiden waren aus Sinaloa, und an ihrer Kleidung merkte man sofort, dass sie Arbeiterinnen waren. Sergio González fragte die, die ihm als Partnerin zugefallen war, ob sie gern tanze, und sie erwiderte, das sei ihr das Liebste auf der Welt. Ohne dass er wusste warum, fand er die Antwort total einleuchtend, zugleich aber unendlich traurig. Im Gegenzug fragte das Mädchen, was ein Chilango wie er in Santa Teresa treibe, und er sagte, er sei Journalist und schreibe einen Artikel über den Büßer. Sie schien von dieser Eröffnung keineswegs beeindruckt. Auch hatte sie noch nie La Razón gelesen, was González nur schwer glauben konnte. Zamudio raunte ihm zu, sie könnten die beiden ins Bett kriegen. Zamudios durch das Stroboskoplicht verzerrtes Gesicht kam ihm vor wie das eines Irren. González zuckte die Schultern.
Am nächsten Morgen erwachte er in seinem Hotelzimmer, allein und mit dem Gefühl, etwas Verbotenes gesehen oder gehört zu haben. Zumindest etwas Ungehöriges, Ungebührliches. Er versuchte, Juan de Dios Martínez zu interviewen. Im Büro der Kriminalpolizei traf er nur zwei Typen, die Würfel spielten, während ein dritter zuschaute. Alle drei waren Kriminalbeamte. Sergio González stellte sich vor, dann setzte er sich auf einen Stuhl und wartete, weil es hieß, Juan de Dios Martínez werde gleich kommen. Die Kriminalbeamten waren sportlich-leger gekleidet. Jeder der Spieler hatte vor sich eine Tasse mit Bohnen, und bei jedem Wurf nahmen sie einige Bohnen heraus und legten sie in die Tischmitte. González wunderte sich, dass zwei gestandene Männer um Bohnen spielten, aber noch mehr wunderte er sich, als er sah, dass einige Bohnen auf dem Tisch hochsprangen. Er schaute genau hin, und wirklich, von Zeit zu Zeit sprangen eine oder manchmal zwei Bohnen in die Luft, nicht hoch, vielleicht vier Zentimeter, vielleicht zwei, aber sie sprangen. Die Spieler schenkten den Bohnen keine Beachtung. Sie taten die Würfel, fünf an der Zahl, in einen Becher, schüttelten und stürzten ihn mit hartem Knall auf den Tisch. Jeden Wurf, den eigenen wie den gegnerischen, begleiteten sie mit Aussprüchen, die González nicht verstand. Sie sagten: Engarróteseme ahí oder metateado oder peladeaje oder combiliado oder biscornieto oder bola de pinole oder despatolado oder sin desperdicio, als würden sie Götternamen rufen oder die Losungen einer mystischen Zeremonie, die nicht einmal sie selbst verstanden, die aber alle befolgen mussten. Der nicht mitspielende Beamte nickte dazu mit dem Kopf. Sergio González fragte ihn, ob die Bohnen Springbohnen seien. Der Mann sah ihn an und bejahte. So viele habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, sagte Sergio González. In Wirklichkeit hatte er in seinem Leben noch keine einzige gesehen. Als Juan de Dios Martínez eintraf,
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