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handelte, wohnhaft in der Siedlung Lomas del Toro, Arbeiterin in der Maquiladora TECNOSA, geboren im Bundesstaat Querétaro. Sie wohnte mit drei anderen Frauen aus Querétaro zusammen, von einem festen Freund war nichts bekannt, nur von einer Liebesbeziehung mit zwei Arbeitskollegen aus ihrer Maquiladora. Diese wurden ausfindig gemacht und mehrere Tage verhört, konnten aber ein Alibi nachweisen, trotzdem landete einer der beiden mit einem Nervenzusammenbruch und drei gebrochenen Rippen im Krankenhaus. Noch während der Ermittlungen im Fall Paula García Zapatero tauchte die zweite Juli-Tote auf. Ihre Leiche fand man hinter einigen Öltanks von Pemex an der Hauptstraße nach Casas Negras. Sie war neunzehn, schlank, hatte hellbraune Haut und schwarzes Haar. Sie war anal und vaginal vergewaltigt worden, dem Obduktionsbericht zufolge mehrfach, und ihr Körper wies zahlreiche Hämatome auf, die verrieten, dass man mit äußerster Brutalität vorgegangen war. Dennoch war die Leiche vollständig bekleidet, mit Jeans, schwarzem Slip, hellbrauner Strumpfhose, weißem BH und weißer Bluse, und an keinem Kleidungsstück war der kleinste Riss zu finden, woraus man schloss, dass der oder die Täter sie erst ausgezogen, gequält und getötet, dann wieder angezogen und hinter die Pemex-Tanks geworfen hatten. Die Ermittlungen im Fall Paula García Zapatero leitete Kommissar Efraín Bustelo, die im Fall Rasaura López Santana Kommissar Ortiz Rebolledo, und beide Fälle gerieten rasch in eine Sackgasse, da es weder Tatzeugen noch sonst etwas gab, das der Polizei weiterhelfen konnte.
Im August 1995 fand man die Leichen von sieben Frauen, Florita Almada trat zum zweiten Mal im Regionalprogramm von Sonora auf, und zwei Polizisten aus Tucson tauchten in Santa Teresa auf und stellten Fragen. Die beiden sprachen mit den Konsulatsmitarbeitern Kurt A. Banks und Dick Henderson, denn der Konsul weilte auf seiner Ranch im kalifornischen Sage, die eigentlich nur eine morsche Holzhütte am westlichen Rand der Ramona Indian Reservation war, während seine Frau sich für ein paar Monate im Haus ihrer Schwester in Escondido, nahe San Diego, erholte. Zu der Hütte hatten einst Ländereien gehört, aber die hatte der Vater von Conan Mitchell verkauft, und jetzt saß er noch auf tausend Quadratmetern Gartenbauland, wo er zum Zeitvertreib mit seiner Remington 870 Wingmaster auf Feldmäuse schoss, Westernromane las und Pornofilme schaute. Wenn er auch das satt hatte, setzte er sich ins Auto und fuhr hinunter nach Sage zu einer Bar, wo einige Alten ihn kannten, seit er klein war. Manchmal sah Conan Mitchell die Alten von der Seite an und dachte, wie es sein konnte, dass sie all diese Erinnerungen an seine Kindheit besaßen, zumal einige nicht viel älter aussahen als er selbst. Aber die Alten ließen ihre falschen Zähne tanzen und erzählten von den Streichen des kleinen Abe Mitchell, als sähen sie sie in diesem Augenblick vor sich, und Conan blieb nichts anderes übrig, als zum Schein mitzulachen. In Wirklichkeit hatte er keine genauen Erinnerungen an seine Kindheit. Er erinnerte sich an seinen Vater und seinen älteren Bruder, und manchmal erinnerte er sich an Regenzeiten, aber der Regen gehörte nicht zu Sage, sondern zu einem anderen Ort, an dem er gelebt hatte. Abergläubische Angst, vom Blitz getroffen zu werden, begleitete ihn seit seiner Kindheit, daran erinnerte er sich schon, obwohl er außer seiner Frau nur wenigen davon erzählt hatte. Tatsache ist, dass Conan Mitchell nicht sehr gesprächig war. Auch einer der Gründe, warum er so gern in Mexiko lebte, wo ihm zwei kleine Transportunternehmen gehörten. Die Mexikaner reden gern, tun es aber ungern mit großen Leuten, erst recht nicht mit US-Amerikanern. Diese Theorie, die von ihm stammte und sich wer weiß wie in seinem Kopf gebildet hatte, verlieh ihm große Gelassenheit, wenn er sich südlich der Grenze befand. Hin und wieder jedoch, und jedes Mal auf Drängen seiner Frau, musste er einige Wochen in Kalifornien und Arizona verbringen, die er resigniert über sich ergehen ließ. In den ersten Tagen schien ihm der Wechsel nichts auszumachen. Wenn er nach zwei Wochen den Lärm nicht mehr ertrug (Lärm, der sich an ihn richtete und Antworten von ihm verlangte), ging er nach Sage und verzog sich in seine alte Hütte. Als die Polizisten aus Tucson in Santa Teresa aufkreuzten, war Conan schon seit zwanzig Tagen fort, worüber die Polizisten, die von seiner Unfähigkeit gehört hatten, im Grunde
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