2666
abgelehnt habe, das eine Mal, weil ihr der Junge nicht gefiel, das andere Mal aus Schüchternheit. Um halb zwölf verließ sie die Diskothek zusammen mit einer Freundin. Die beiden wohnten nicht weit auseinander, und gemeinsam nach Hause zu gehen war viel angenehmer als allein. Etwa fünf Querstraßen vor dem Haus von María de la Luz trennten sie sich. Hier verliert sich ihre Spur. Die Anwohner auf dem letzten Stück ihres Heimwegs sagten auf Befragen, sie hätten keinen Schrei gehört, schon gar keine Hilferufe. Ihre Leiche wurde zwei Tage später an der Hauptstraße nach Casas Negras gefunden. Sie war vergewaltigt und mehrfach ins Gesicht geschlagen worden, einige Male mit extremer Härte, es wurde sogar ein gebrochener Gaumen festgestellt, was bei Schlägen selten vorkam und den Gerichtsmediziner zu der spontanen Annahme verleitete (die er natürlich genauso schnell wieder fallenließ), der Wagen, in dem María de la Luz entführt worden sei, müsse einen Unfall gehabt haben. Todesursache waren Messerstiche in Hals und Oberkörper, die beide Lungenflügel und mehrere Arterien getroffen hatten. Der Fall landete bei Juan de Dios Martínez, der ein weiteres Mal die Freundinnen befragte, mit denen sie in der Diskothek gewesen war, sowie die Anwohner des Wegstücks, das María allein zurückgelegt hatte oder zurücklegen wollte, als sie entführt wurde. Die Ergebnisse waren enttäuschend.
Der März ging ohne ermordete Frauen zu Ende, im April jedoch fand man im Abstand von wenigen Tagen gleich zwei, auch wurde erste Kritik am Vorgehen der Polizei laut, die nicht imstande war, die Welle (oder den steten Tropfen) sexueller Gewalttaten zu stoppen oder die Mörder zu verhaften und einer von Natur aus arbeitsamen Stadt Ruhe und Frieden zurückzugeben. Die erste Tote entdeckte man in einem Hotelzimmer des Mi Reposo im Zentrum von Santa Teresa. Sie lag, in ein Laken gehüllt und nur mit einem weißen BH bekleidet, unter dem Bett. Der Geschäftsführer des Mi Reposo sagte aus, das Zimmer sei vor drei Tagen von einem Gast namens Alejandro Peñalva Brown gemietet worden, von dem jede Spur fehle. Die Befragung des Putzpersonals und der beiden Frauen an der Rezeption ergab übereinstimmend, dass besagter Peñalva Brown sich nur am ersten Tag seines Aufenthalts im Hotel habe blicken lassen. Die Putzfrauen wiederum schworen, dass am zweiten und dritten Tag nichts unter dem Bett gelegen habe, doch schloss die Polizei nicht aus, dass es sich hier um eine Schutzbehauptung handelte, die mangelnde Gründlichkeit bei der Raumpflege verbergen sollte. Die Adresse, mit der sich Peñalva Brown bei der Anmeldung eingetragen hatte, lautete auf eine Straße in Hermosillo. Nachdem man die Polizei in Hermosillo eingeschaltet hatte, kam schnell heraus, dass ein Peñalva Brown unter dieser Adresse unbekannt war. An den Armen der Toten, einer etwa fünfunddreißigjährigen, dunkelhäutigen Frau von kräftiger Statur, fanden sich Spuren zahlreicher Einstiche, weshalb die Polizei ihre Ermittlungen auf die Drogenszene der Stadt konzentrierte, ohne zu Erkenntnissen zu gelangen, die die Identität der Toten aufklären halfen. Laut Obduktionsbericht war der Tod durch eine Überdosis verunreinigten Kokains verursacht worden. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass der Verdächtige selbst, Peñalva Brown, ihr das Kokain gespritzt hatte, auch nicht, dass er wusste, dass er sie damit vergiften würde. Zwei Wochen später, als die Ermittlungen sich schon der Aufklärung des Mordes an der zweiten Unbekannten zugewandt hatten, erschienen zwei Frauen auf dem Kommissariat und gaben an, die Tote zu kennen. So kam heraus, dass sie Sofía Serrano hieß und ihr Geld als Arbeiterin in drei verschiedenen Maquiladoras, als Kellnerin und zuletzt als Prostituierte auf den Brachflächen hinter dem Friedhof der Siedlung Ciudad Nueva verdient hatte. Sie besaß in Santa Teresa keine Familie, nur ein paar Freunde, die alle kein Geld hatten, weshalb ihr Leichnam den Studenten der medizinischen Fakultät der Universität von Santa Teresa überlassen wurde.
Die zweite Tote fand man unweit einer Müllkippe in der Siedlung Estrella. Sie war vergewaltigt und erwürgt worden. Kurz darauf identifizierte man sie als Olga Paredes Pacheco, Alter fünfundzwanzig, Angestellte in einem Kleidergeschäft in der Avenida Real, unweit des Stadtzentrums, ledig, ein Meter sechzig groß, ansässig in der Calle Hermanos Redondo, Siedlung Rubén Darío, wo sie sich mit Elisa Paredes Pacheco, ihrer
Weitere Kostenlose Bücher