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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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dankbar waren. Henderson und Banks betätigten sich als Cicerones. Die Polizisten durchstreiften die Stadt, besuchten Bars und Diskotheken, wurden Pedro Negrete vorgestellt, mit dem sie eine lange Unterredung über Drogenhandel führten, tauschten sich mit den Kriminalbeamten Ortiz Rebolledo und Juan de Dios Martínez aus, sprachen mit zwei Gerichtsmedizinern am städtischen Leichenschauhaus, überprüften die Unterlagen zu einigen nicht identifizierten Leichen, die man in der Wüste gefunden hatte, und besuchten das Bordell Innere Angelegenheiten, wo sich jeder eine Prostituierte schnappte. Dann verschwanden sie wieder, wie sie gekommen waren.
    Was Florita Almada betrifft, so war ihr zweiter Fernsehauftritt weniger spektakulär als der erste. Auf Reinaldos ausdrücklichen Wunsch sprach sie über die drei Bücher, die sie geschrieben und veröffentlicht hatte. Keine so tollen Bücher, sagte sie, aber für eine Frau, die bis Anfang zwanzig Analphabetin war, gar nicht so schlecht. Alles auf dieser Welt, behauptete sie, und sei es noch so groß, sei im Vergleich zum Universum winzig. Was sie damit sagen wolle? Nun, dass der Mensch, wenn er den festen Willen dazu habe, über sich hinauswachsen könne. Sie werde zum Beispiel nicht behaupten, dass ein Bauer von jetzt auf gleich in der Lage sei, die NASA zu leiten oder auch nur für die NASA zu arbeiten, aber wer könne sagen, ob es der Sohn, angeleitet vom Beispiel und der Liebe des Vaters, nicht eines Tages so weit bringt? Sie selbst, um ein anderes Beispiel zu nennen, wäre gern Lehrerin geworden, denn ihrem bescheidenen Verständnis nach war es die vielleicht beste Arbeit der Welt, Kinder zu unterrichten, den Kindern ganz behutsam die Augen zu öffnen, um ihnen einen, wenn auch noch so kleinen, Blick auf die Schätze der Welt und der Kultur, was letztlich dasselbe ist, zu ermöglichen. Aber es sollte nicht sein, und sie sei mit sich und der Welt im Reinen. Manchmal träume sie davon, Lehrerin zu sein und auf dem Land zu leben. Ihre Schule lag auf einer Anhöhe, von der aus man das Dorf sah, braune Häuser, dazwischen einige weiße und dunkelgelbe Dachterrassen, auf denen es sich hie und da die alten Leutchen bequem machten und auf die staubigen Straßen schauten. Vom Schulhof aus konnte sie die Mädchen in den Unterricht gehen sehen. Schwarze, zu Pferdeschwänzen gebundene, zu Zöpfen geflochtene oder von Bändern gehaltene Haare. Weißes Lächeln aus braunen Gesichtern. In der Ferne bestellten die Bauern die Böden, rangen der Wüste Früchte ab, weideten Ziegenherden. Sie konnte ihre Worte verstehen, die Art, wie sie guten Tag oder guten Abend sagten, wie deutlich sie alle ihre Worte verstehen konnte, Worte, die sie nicht, und Worte, die sie jeden Tag, jede Stunde, jede Minute wechselten, sie verstand sie ohne die geringsten Schwierigkeiten. Nun, so waren die Träume. Es gab Träume, wo alles zusammenpasste, und Träume, wo es nicht so war und die Welt ein Sarg voller Geschrei. Trotz allem sei sie mit sich und der Welt im Reinen, denn wenn sich ihr Traum auch nicht erfüllt und sie keine Ausbildung zur Lehrerin gemacht habe, sei sie doch jetzt eine Kräuterfrau und nach Ansicht mancher Leute eine Seherin, und zahllose Menschen seien ihr dankbar für die kleinen Dienste, die sie ihnen hatte erweisen können, nichts Weltbewegendes, kleine Ratschläge, kleine Hinweise wie zum Beispiel die Empfehlung, ihre Ernährung um Ballaststoffe zu ergänzen, die als Nahrung für Menschen ungeeignet sind, das heißt, unser Verdauungsapparat kann sie nicht abbauen und aufnehmen, aber förderlich für den Stuhlgang oder das große Geschäft oder für die, Reinaldo und das verehrte Publikum mögen verzeihen, Darmentleerung. Nur der Verdauungsapparat von Pflanzenfressern, sagte Florita, verfügt über die Stoffe, die zur Aufspaltung von Zellulose und damit zur Aufnahme seiner Bestandteile, der Zuckermoleküle, durch das Blut nötig sind. Zellulose und ähnliche Substanzen sind das, was wir Ballaststoffe nennen. Ihr Verzehr ist unserer Gesundheit zuträglich, obschon er keine verwertbare Energie liefert. Die nicht vom Körper aufgenommenen Ballaststoffe verleihen dem Speisebrei auf seinem Weg durch die Verdauungskanäle sein Volumen, durch das im Darmtrakt ein Druck entsteht, der seine Aktivität stimuliert, was dazu führt, dass die Verdauungsreste leichter den gesamten Darm passieren. Durchfall zu haben ist nicht gut, außer in besonderen Fällen, doch ein- oder zweimal am Tag aufs Klo

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