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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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auf. Epifanio verfolgte andere Fährten. Was, wenn Astudillo gestorben wäre, fragte er sich. Wenn er zum Beispiel drei Tage, bevor die Jugendlichen den Leichnam seiner Freundin gefunden hatten, gestorben wäre. Er fragte sich, wen oder was Rosa López Larios am Tag oder Abend ihrer Ermordung am Pemex-Turm gesucht hatte. Der Fall war in der Tat für die Tonne.
    Die zweite Dezember-Tote hieß Ema Contreras, doch war hier der Mörder nicht schwer zu finden. Ema Contreras wohnte in der Calle Pablo Cifuentes in der Siedlung Álamos. Eines Nachts hörten die Nachbarn einen Mann laut schreien. Später erzählten sie, man habe den Eindruck gehabt, als sei der Mann allein und wie von Sinnen. Gegen zwei Uhr morgens ließ das Geschrei nach, und der Mann verstummte. Danach herrschte im Haus absolute Stille. Gegen drei Uhr morgens wurden die Anwohner durch zwei Schüsse geweckt. Im Haus brannte kein Licht, aber niemand zweifelte eine Sekunde, dass die Schüsse von dort gekommen waren. Dann knallten noch zwei Schüsse, und jemand stieß einen Schrei aus. Ein paar Minuten später sahen sie einen Mann aus dem Haus kommen, in den vor dem Haus parkenden Wagen steigen und davonfahren. Einer der Nachbarn verständigte die Polizei. Um halb vier Uhr morgens traf ein Streifenwagen ein. Die Haustür stand sperrangelweit offen, und die Beamten gingen ohne zu zögern hinein. Im größeren Schlafzimmer fanden sie Ema Contreras, gefesselt an Händen und Füßen und mit vier Kugeln im Leib, von denen zwei ihr Gesicht verwüstet hatten. Den Fall übernahm Kommissar Juan de Dios Martínez, der um vier Uhr früh am Tatort erschien, sich die Wohnung anschaute und rasch zu dem Schluss kam, der Mörder müsse der Lebensgefährte (oder Geliebte) des Opfers sein, eben jener Polizist Jaime Sánchez, der tags zuvor am Pemex-Turm versucht hatte, mit einer brasilianischen Magnum Taurus die wilde Flucht der Liebespaare zu stoppen. Über Funk gab er eine Fahndungsmeldung durch. Gegen sechs Uhr morgens entdeckte man ihn im Serafino's. Das Serafino's hatte um diese Zeit geschlossen, war im Innern aber zum Pokersalon geworden. Neben dem Tisch der Spieler und Zuschauer saßen an der Bar etliche Nachtschwärmer, darunter mehrere Polizisten, und tranken und plauderten. In dieser Gruppe befand sich auch Jaime Sanchez. Als Juan de Dios Martínez diese Nachricht bekam, gab er Befehl, das Lokal zu umstellen und unter keinen Umständen irgendjemanden hinauszulassen, befahl aber auch, bis zu seinem Eintreffen nicht hineinzugehen. Jaime Sanchez sprach über Frauen, als er den Kommissar in Begleitung von zwei Polizisten hereinkommen sah. Er sprach weiter. Unter den Zuschauern der Pokerrunde befand sich Kommissar Ortiz Rebolledo, der, als er Juan de Dios Martínez sah, aufstand und ihn fragte, was ihn um diese Zeit hierherführe. Ich bin gekommen, um jemanden zu verhaften, sagte Juan de Dios, und Ortiz Rebolledo sah ihn an und grinste von einem Ohr zum anderen. Du und die zwei da?, fragte er. Und dann: Sei kein Arsch, warum holst du dir nicht woanders einen runter? Juan de Dios Martínez sah ihn an, als würde er ihn nicht kennen, schob ihn beiseite und ging hinüber zu Jaime Sanchez. Von dort sah er, dass Ortiz Rebolledo einen der Polizisten am Arm zurückhielt, der ununterbrochen redete. Sicher erzählt er ihm, wen ich verhaften will, dachte Juan de Dios. Jaime Sanchez leistete bei seiner Festnahme keinen Widerstand. Juan de Dios Martínez durchsuchte ihn, bis er unter seinem Jackett die Magnum Taurus fand. Mit der hast du sie umgebracht?, fragte er. Ich habe mich gegeißelt und die Kontrolle verloren, sagte Sanchez. Mach mich vor meinen Freunden nicht lächerlich, fügte er hinzu. Deine Freunde können mich mal, sagte Juan de Dios Martínez, während er ihm die Handschellen anlegte. Als sie die Bar verließen, wurde die Pokerrunde fortgesetzt, als wäre nichts gewesen.

Im Januar 1996 trommelte Klaus Haas noch einmal die Presse zusammen. Es erschienen nicht so viele Journalisten wie beim ersten Mal, aber denen, die kamen, wurden bei der Ausübung ihres Berufs keine Steine in den Weg gelegt. Haas fragte die Journalisten, wie es möglich sei, dass die Morde nicht abrissen, wo doch der Mörder (also er) im Gefängnis sitze. Er sprach vor allem davon, dass Michelle Requejo mit dem gleichen Knoten gefesselt worden sei wie damals Estrella Ruiz Sandoval, die einzige Tote, mit der er, Haas, direkt zu tun gehabt habe, und das auch nur, betonte er, wegen ihres Interesses für

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