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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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die auf der Brachfläche regelmäßig Baseball spielten, hatten sie entdeckt. Michelle Requejo wohnte in der Siedlung San Damián, im Süden der Stadt, und arbeitete in der Maquiladora Horizon W&E. Sie war vierzehn, schlank und kontaktfreudig. Von einem festen Freund war nichts bekannt. Ihre Mutter arbeitete in derselben Fabrik und verdiente sich in ihrer Freizeit ein paar Pesos als Wahrsagerin und Wunderheilerin. Im Allgemeinen half sie Frauen aus dem Viertel oder Arbeitskolleginnen, die Liebeskummer hatten. Ihr Vater arbeitete in der Maquiladora Aguilar&Lennox. Michelle Requejo machte jede Woche Doppelschichten. Ihre beiden jüngeren Schwestern, zehnjährige Zwillinge, gingen zur Schule, der sechzehnjährige Bruder arbeitete wie der Vater bei Aguilar&Lennox. Michelle Requejos Körper wies zahlreiche Stichwunden auf, einige an den Armen, die übrigen im Brustbereich. Bekleidet war sie mit einer schwarzen Bluse, deren Löcher vermutlich von der Tatwaffe herrührten. Die Stretch-Hose aus Polyester, die sie trug, war bis zu den Knien heruntergezogen. Die Füße steckten in schwarzen Tennisschuhen der Marke Reebok. Die Hände hatte man ihr auf den Rücken gebunden, und bald wies jemand darauf hin, dass man sie mit dem gleichen Knoten gefesselt hatte wie Estrella Ruiz Sandoval, was einige Polizisten mit einem Lächeln quittierten. Den Fall übernahm José Márquez, der Juan de Dios Martínez über einige merkwürdige Begleitumstände informierte. Dieser wiederum machte ihn darauf aufmerksam, dass sich die seltsamen Übereinstimmungen nicht auf den Knoten beschränkten, sondern dass schon einmal auf einer Brachfläche neben der Morelos-Oberschule ein Mord geschehen sei. José Márquez erinnerte sich nicht an den Fall. Juan de Dios Martínez sagte, man habe das Opfer nie identifizieren können. Am Abend fuhren die beiden Kommissare zu der Stelle, wo die Leiche von Michelle Requejo gefunden worden war. Eine Weile lang betrachteten sie die Schatten auf der Brachfläche. Dann stiegen sie aus und liefen zwischen den Sträuchern herum und traten manchmal auf Plastiktüten, in denen sich irgendetwas Weiches befand. Sie begannen zu rauchen. Es roch nach Verwesung. José Márquez sagte, er habe allmählich die Schnauze voll von dieser Arbeit, sprach von einem Posten als Sicherheitschef in Monterrey und fragte, wo die Schule liege. Juan de Dios Martínez wies auf einen Punkt in der Dunkelheit. Dort, sagte er. Sie gingen darauf zu. Sie überquerten mehrere nicht asphaltierte Straßen und spürten, dass sie beobachtet wurden. José Márquez legte die Hand auf sein Halfter, und obwohl er die Pistole nicht zog, gab sie ihm ein beruhigendes Gefühl. Sie erreichten die von einer einzelnen Laterne beleuchtete Umzäunung der Schule. Dort lag die Tote, sagte Juan de Dios Martínez und wies mit dem Zeigefinger auf einen ungenauen Fleck unweit der Straße nach Nogales. Der Hausmeister der Schule hat sie entdeckt. Der oder die Mörder müssen im Wagen gekommen sein. Sie hoben die Tote aus dem Kofferraum und warfen sie ins Gebüsch. Das dürfte nicht weniger als fünf Minuten gedauert haben. Ich rechne mit etwa zehn Minuten, weil die Stelle nicht direkt an der Straße liegt. Sie fuhren nach oder kamen von Cananea. Der Stelle nach zu urteilen, an der sie die Leiche abluden, würde ich sagen, sie fuhren nach Cananea. Warum das, Bruder?, fragte José Márquez. Weil es, wenn man von Cananea kommt, schon lange vor Santa Teresa jede Menge Stellen gibt, die sich viel besser dazu eignen, eine Leiche verschwinden zu lassen. Außerdem glaube ich, dass sie sich Zeit gelassen haben. Soviel ich gehört habe, ist sie regelrecht gepfählt worden. Himmel, sagte José Márquez. Tja, alter Junge, und es ist einigermaßen schwierig, einen Körper so, in dieser Form, also gewissermaßen fertig präpariert, in einem Kofferraum zu verstauen. Wahrscheinlicher ist, dass man sie neben der Schule gepfählt hat. Was für Bestien, Bruder, sagte José Márquez. Sie warfen sie auf den Boden und schoben ihr dann den Pfahl in den Hintern, was meinst du? Furchtbar, Bruder, sagte José Márquez. Aber sie war da nicht mehr am Leben, oder? Nein, das stimmt, sie war nicht mehr am Leben, sagte Juan de Dios Martínez.
    Die beiden nächsten Toten wurden ebenfalls noch im Dezember 1995 gefunden. Die erste hieß Rosa López Larios und war neunundzwanzig. Ihre Leiche entdeckte man hinter einem Pemex-Turm, wo sich nachts Pärchen zum Liebesspiel trafen. Anfangs kamen sie im Pkw oder

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