2666
Werkzeug dabeihatten? Der Fall oblag Ángel Fernandez, der in El Obelisco eine Razzia durchführen und zwanzig Personen festnehmen ließ. Vier von ihnen landeten wegen Diebstahls im Gefängnis. Ein anderer starb in den Kellern des Zweiten Kommissariats, laut Obduktionsbericht an Tuberkulose. Keiner wollte die Schuld am Tod eines der beiden Mädchen gestehen.
Eine Woche nach der Entdeckung der Leiche des dreizehnjährigen Mädchens in der Umgebung von El Obelisco fand man an der Hauptstraße nach Cananea den leblosen Körper einer etwa Sechzehnjährigen. Die Tote maß knapp einen Meter sechzig, hatte schwarzes, langes Haar und war von schlankem Wuchs. Sie wies nur eine einzige Verletzung auf, eine tiefe Stichwunde im Unterleib, die ihr buchstäblich durch und durch ging. Dem Obduktionsbericht zufolge war der Tod jedoch durch Strangulation und den Bruch des Zungenbeins verursacht worden. Von dem Platz aus, wo man sie fand, sah man auf eine Reihe sanfter Hügel, auf ein paar verstreute weiße und gelbe Häuser mit niedrigen Dächern, auf vereinzelte Schuppen, in denen Maquiladoras Materialien und Ersatzteile lagerten, auf Wege, die von der Hauptstraße abzweigten und wie Träume verblassten, grundlos, absichtslos. Laut Polizeibericht handelte es sich bei dem Opfer vermutlich um eine Tramperin auf dem Weg nach Santa Teresa, die man vergewaltigt hatte. Alle Versuche, sie zu identifizieren, schlugen fehl, und die Ermittlungen wurden eingestellt.
Fast zur gleichen Zeit wurde ein weiteres, etwa sechzehnjähriges Mädchen erstochen und verstümmelt aufgefunden (obwohl die Verstümmelungen möglicherweise auf streunende Hunde zurückzuführen waren), diesmal an den Hängen des Cerro Estrella im Nordosten der Stadt, viele Kilometer vom Fundort der anderen drei März-Toten entfernt. Mit ihrer schlanken Gestalt und ihrem langen schwarzen Haar, hieß es seitens der Polizei, sah sie aus wie die Zwillingsschwester der an der Straße nach Cananea gefundenen mutmaßlichen Tramperin. Wie diese trug sie keine Papiere bei sich, die zu ihrer Identifizierung hätten führen können. In der örtlichen Presse nannte man sie Die fluchbeladenen Schwestern, später in Anlehnung an die Darstellung der Polizei Die unglücklichen Zwillinge. Den Fall bearbeitete Kommissar Carlos Marín, der ihn nach kürzester Zeit den ungeklärten Morden zuschlug.
Als der März sich schon dem Ende zuneigte, wurden am gleichen Tag die beiden letzten Toten des Monats gefunden. Die erste hieß Beverly Beltrán Hoyos. Sie war sechzehn und arbeitete für eine Maquiladora im Industriepark General Sepúlveda. Drei Tage, bevor man ihre Leiche fand, war sie verschwunden. Ihre Mutter, Isabel Hoyos, erschien in einer Polizeistelle in der Innenstadt, wo man sie fünf Stunden warten ließ, bevor sie eine Vermisstenanzeige stellen durfte, die, wenn auch widerwillig, aufgenommen, unterschrieben und weitergeleitet wurde. Anders als die anderen März-Opfer hatte Beverly kastanienbraunes Haar. Darüber hinaus gab es einige Übereinstimmungen: Schlanker Wuchs, ein Meter zweiundsechzig groß, langes Haar. Kinder fanden ihre Leiche auf einer Brachfläche westlich des Industrieparks General Sepúlveda, einem für Autos schwer zugänglichen Gebiet. Ihr Körper wies im Bereich des Oberkörpers und des Unterleibs zahlreiche Stich- und Schussverletzungen auf. Sie war vaginal und anal vergewaltigt und anschließend von ihren Mördern wieder angezogen worden, denn ihre Kleidung, dieselbe, die sie auch zum Zeitpunkt ihres Verschwindens getragen hatte, zeigte weder Löcher noch Schmauchspuren. Den Fall bearbeitete Kommissar Lino Rivera, der seine Ermittlungen mit der Befragung ihrer Arbeitskolleginnen und der Suche nach einem inexistenten Verlobten beginnen und enden ließ. Weder wurde die Umgebung der Fundstelle genauer untersucht noch Abdrücke von den zahlreichen, am Tatort vorhandenen Spuren genommen.
Das zweite Opfer des Tages und das letzte im Monat März wurde auf einer Brachfläche westlich der Siedlung Remedios Mayor und der wilden Müllkippe El Chile und südlich des Industrieparks General Sepúlveda gefunden. Kommissar José Márquez zufolge, dem der Fall übertragen wurde, war sie sehr attraktiv: Lange Beine, schlank, aber nicht mager, volle Brüste, Haare bis fast auf die Hüften. Sowohl Vagina als auch Anus zeigten Spuren starker Beanspruchung. Nachdem sie vergewaltigt worden war, hatte man auf sie eingestochen, bis sie tot war. Dem Gerichtsmediziner zufolge betrug das Alter
Weitere Kostenlose Bücher