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ruhigen Plätzchen. Im Schneckentempo. Hetzen, nur um sich die Fresse polieren zu lassen? Vorneweg der Wagen mit González am Steuer, wenige Meter dahinter der, den Epifanio fuhr. Sie ließen die geteerten Straßen und die drei- und mehrgeschossigen Häuser hinter sich. Durch die Wagenfenster sahen sie die Sonne aufgehen. Sie setzten schwarze Sonnenbrillen auf. Eines der Fahrzeuge gab die Nachricht vom anstehenden Ereignis durch, und kurz nach ihrer Ankunft auf dem Gelände kreuzten rund zehn weitere Streifenwagen auf. Die Leute stiegen aus, boten sich gegenseitig Zigaretten an, lachten oder kickten Steine durch die Gegend. Diejenigen, die Flachmänner dabeihatten, genehmigten sich einen Schluck und machten harmlose Bemerkungen über das Wetter oder gemeinsame Geschäfte. Eine halbe Stunde später fuhren die Streifenwagen wieder davon, und zurück blieb nur eine gelbe Staubwolke, die über dem Gelände schwebte.
Erzählen Sie mir von Ihren Ahnen, sagten die Idioten. Hurtig die Ahnenreihe runtergebetet, sagten die Scheißkerle. Schwanzlutschende Knieficker. Lalo Cura wurde nicht wütend. Durchgeknallte Brut Ihrer verhurten Mütter. Erzählen Sie, wie steht's mit Ihrem Pedigree? Er war bereits ganz ruhig. Wird Pedrito was husten. Aber ohne wütend zu werden. Mit Respekt vor der Uniform. Ohne einen Aufriss zu machen, ohne Schwanzeinziehen, auf jeden Fall mit Scheißegalgesicht. An manchen Abenden, im Halbdunkel des Mietshauses, wenn er die kriminologische Lektüre beiseite legte (jetzt nicht die Nase rümpfen, Kumpel), ganz wirr vor lauter Fingerabdrücken, Blut- und Spermaflecken, Grundlagen der Toxikologie und Studien über Diebstähle, Hauseinbrüche, Fußspuren und wie man Skizzen vom Tatort anfertigte oder den Schauplatz des Verbrechens fotografierte, halb eingenickt, eingeklemmt zwischen Traum und Wachen, hörte oder erinnerte er Stimmen, die ihm von den Anfängen seiner Familie erzählten, von der Ahnenreihe, die bis ins Jahr 1865 zurückreichte, zu einer namenlosen Waise, die fünfzehnjährig von einem belgischen Soldaten vergewaltigt wurde, in einem Lehmziegelhaus mit nur einem Zimmer, in der Umgebung von Villaviciosa. Tags darauf starb der Soldat mit durchschnittener Kehle, und neun Monate später kam ein Mädchen zur Welt, das den Namen María Expósito erhielt. Die Waise, die erste, sagte die Stimme oder sagten die Stimmen, die sich abwechselten, starb im Kindbett, und das Mädchen wuchs als Pflegekind in dem Haus auf, in dem es gezeugt worden war und das jetzt Bauern gehörte, die fortan für sie sorgten. Im Jahr 1881, als María Expósito fünfzehn war, wurde sie während der Feiern zu San Dimas von einem betrunkenen Fremden aufs Pferd gezerrt und entführt, der dabei aus vollem Hals sang: So ein übles Fest, das / Sagte Dimas zu Gestas. An den Hängen eines Berges, der an einen Saurier oder an eine Krustenechse erinnerte, vergewaltigte er sie mehrfach und verschwand. 1882 brachte María Expósito eine Tochter zur Welt, die María Expósito Expósito getauft wurde, sagte die Stimme, und dieses Kind setzte die Bauernschaft von Villaviciosa in Erstaunen. Von frühster Kindheit an bewies sie einen scharfen und wachen Verstand, und obwohl sie nie lesen und schreiben lernte, erwarb sie sich den Ruf einer weisen Frau, die sich mit Heilkräutern und Salben auskannte. Im Jahr 1898, nachdem sie sieben Tage lang wie vom Erdboden verschluckt war, stand María Expósito Expósito mit gebrochenem Arm und Quetschungen am ganzen Körper auf dem Marktplatz von Villaviciosa, einer offenen, kahlen Fläche im Zentrum des Dorfs. Sie wollte nie erzählen, was ihr widerfahren war, und die alten Frauen, die sie verarzteten, drangen nicht weiter in sie. Neun Monate später wurde ein Mädchen geboren, das den Namen María Expósito erhielt und von seiner Mutter, die nie heiratete, keine weiteren Kinder bekam und nie zu einem Mann zog, in die Geheimnisse der Heilkunst eingeweiht wurde. Aber die kleine María Expósito ähnelte ihrer Mutter nur hinsichtlich ihres guten Charakters, den sie übrigens mit allen María Expósitos aus Villaviciosa teilte, auch wenn die einen zurückhaltend, die anderen schwatzhaft waren, sie alle kennzeichnete ein guter Charakter und die seelische Stärke, um Zeiten von Gewalt und äußerster Armut zu überstehen. Kindheit und Jugend der jungen María Expósito verliefen jedoch viel entspannter als bei ihrer Mutter und Großmutter. Noch 1914, mit sechzehn Jahren, dachte und verhielt sie sich wie ein
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