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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Dunkelziffer doppelt so hoch, damit lägen wir bei viertausend Vergewaltigungen im Jahr. Das heißt, hier werden jeden Tag mehr als zehn Frauen vergewaltigt. Sie machte eine Geste, als fanden die Schändungen draußen im Flur statt, im spärlichen Licht einer gelben Leuchtstoffröhre, der gleichen Leuchtstoffröhre, die, immer ausgeschaltet, im Büro von Yolanda Palacio hing. Einige Vergewaltigungen enden natürlich als Mordfälle. Aber ich will nicht dramatisieren, meist bleibt es beim Vergewaltigen, rein, raus, Ende, aus, nächstes Thema. Sergio wusste nicht, was er sagen sollte. Wissen Sie, wie viele Mitarbeiter die Abteilung für Sexualdelikte hat? Nur mich. Früher gab es eine Sekretärin. Aber sie hatte keine Lust mehr und zog nach Ensenada, wo ihre Familie lebt. Heiliger Strohsack, sagte Sergio. Genau, heiliger Strohsack, ganze Scheunen heiliger Strohsäcke, heilige Strohsäcke, wohin man schaut, und jede Menge Du liebe Güte und Da brat mir einer einen Storch, aber wenn es drauf ankommt, wissen alle von nichts, macht niemand den Mund auf, hat niemand die Traute, etwas zu unternehmen. Sergio blickte zu Boden und dann in das müde Gesicht von Yolanda Palacio. Apropos Storch braten, sagte sie, haben Sie Lust, essen zu gehen? Ich sterbe vor Hunger, hier in der Nähe gibt es ein Restaurant, El Rey del Taco. Wenn Sie Texmex mögen, sollten Sie da hin. Sergio erhob sich. Ich lade Sie ein, sagte er. Davon bin ich ausgegangen, sagte Yolanda Palacio.
    Am zwölften April wurden auf einem Feld bei Casas Negras die Überreste einer Frau gefunden. Dass es sich um eine Frau handelte, erkannten die Finder am schwarzen, hüftlangen Haar der Leiche, die sich in einem Stadium fortgeschrittener Verwesung befand. Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass das Opfer zwischen achtundzwanzig und dreißig Jahre alt war und zwei starke Schlagverletzungen im temporoparietalen Schädelbereich erlitten und nicht überlebt hatte. Sie trug keine Papiere bei sich. Ihre Kleidung bestand aus schwarzer Hose, grüner Bluse und Sportschuhen. In einer ihrer Hosentaschen fand man einen Autoschlüssel. Ihr Profil passte nicht zu den Verschwundenen von Santa Teresa. Wahrscheinlich war sie schon mehrere Monate tot. Der Fall kam zu den Akten.
    Ohne genau zu wissen, warum, denn er glaubte nicht an Hellseherei, suchte Sergio González in den Studios von Canal 7 in Hermosillo nach Florita Almada. Er sprach mit einer Sekretärin, dann mit noch einer und dann mit Reinaldo. Es sei nicht leicht, Florita zu treffen, sagte dieser. Wir, ihre Freunde, schirmen sie ab. Schützen ihre Intimsphäre. Bilden ein menschliches Schutzschild um La Santa. Sergio zeigte seinen Presseausweis und sagte, die Intimsphäre von Florita werde garantiert. Reinaldo gab ihm eine Verabredung für den Abend. Sergio kehrte ins Hotel zurück und versuchte, einen ersten Entwurf zu seinem Bericht über die Frauenmorde zu skizzieren, merkte aber nach einer Weile, dass er nichts zustande brachte. Er ging hinunter in die Hotelbar, trank etwas und las die örtlichen Zeitungen. Dann ging er hinauf in sein Zimmer, duschte und ging wieder nach unten. Eine halbe Stunde vor der von Reinaldo genannten Zeit nahm er ein Taxi und bat den Fahrer, noch ein wenig in der Innenstadt herumzufahren und dann erst das Fahrtziel anzusteuern. Der Taxifahrer fragte, wo er herkomme. México DF, sagte Sergio. Verrückte Stadt, sagte der Taxifahrer. Einmal wurde ich an einem Tag siebenmal ausgeraubt. Hätte nur noch gefehlt, dass sie mich vergewaltigen, sagte er und lachte in den Rückspiegel. Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt sind die Taxifahrer diejenigen, die Leute ausrauben. Habe davon gehört, sagte der Taxifahrer, wurde auch mal Zeit. Na ja, Ansichtssache, sagte Sergio. Treffpunkt war eine Bar mit rein männlicher Kundschaft. Die Bar hieß Popeye, und die Tür wurde von einem fast zwei Meter großen, über hundert Kilo schweren Hünen bewacht. Ausgestattet war der Laden mit einem im Zickzack verlaufenden Tresen, winzigen, von kleinen Lämpchen beleuchteten Tischchen und Sesseln, die mit lila Satin bezogen waren. Aus den Lautsprechern kam New-Age-Musik, und die Kellner steckten in Matrosenkleidern. Reinaldo und ein Unbekannter erwarteten ihn auf übertrieben hohen Barhockern sitzend am Tresen. Der Unbekannte hatte glattes, modisch geschnittenes Haar und trug teure Kleidung. Er hieß José Patricio und war der Anwalt von Reinaldo und Florita. Braucht Florita Almada denn einen Anwalt? Jeder braucht

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