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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Reporter von La Raza de Green Valley - von den auf Haas' Pressekonferenz vertretenen Zeitungen die einzige, die seiner Erklärung nicht die offizielle Polizeimeinung zur Seite gestellt hatte und auf diese Weise eine Klage der Familie Uribe und der mit dem Fall befassten amtlichen Stellen des Bundesstaates Sonora riskierte. Mary-Sue Bravo sah ihn durch die Fensterfront eines Schnellrestaurants in der Siedlung Madero, wo der Reporter gerade etwas aß. Er war nicht allein, neben ihm saß ein stämmiger Typ, der auf Mary-Sue wie ein Polizist wirkte. Zuerst hatte die Journalistin vom Independiente de Phoenix dem keine Bedeutung beigemessen und war weitergegangen, aber nach wenigen Metern hatte sie eine Vorahnung und kehrte um. Der Reporter von La Raza war jetzt allein und machte sich über einige Chilaquiles her. Sie grüßten einander, und sie fragte, ob sie sich zu ihm setzen dürfe. Selbstverständlich, sagte der Reporter von La Raza. Mary-Sue bestellte eine Cola light, und sie sprachen eine Weile über Haas und die scheue Familie Uribe. Dann stand der Reporter von La Raza auf, bezahlte seine Rechnung und ließ Mary-Sue in dem Restaurant allein, das voller Typen war, die, genau wie der Reporter, aussahen wie Landarbeiter und illegale Einwanderer.
    Am ersten Dezember wurde in einem ausgetrockneten Bachbett am Rande von Casas Negras die Leiche einer jungen, etwa achtzehn- bis zweiundzwanzigjährigen Frau entdeckt. Der Mann, der sie fand, hieß Santiago Catalán, befand sich auf der Jagd und wunderte sich über das Verhalten seiner Hunde, als er sich dem Bach näherte. Plötzlich, sagte der Zeuge aus, begannen die Hunde zu zittern, als hätten sie einen Jaguar oder Bären gewittert. Aber da es hier keine Jaguare und Bären gibt, habe ich mir vorgestellt, dass sie den Geist eines Jaguars oder Bären gewittert haben. Ich kenne meine Hunde und weiß, dass sie nicht ohne ernsthaften Grund zittern und winseln. Daraufhin packte mich die Neugier, und nachdem ich den Hunden einen Tritt verpasst hatte, damit sie sich wie Rüden benähmen, ging ich entschlossen in Richtung Bach. Als er in das Bachbett stieg, das höchstens einen halben Meter tief war, sah und roch Santiago Catalán nichts, und sogar die Hunde schienen sich zu beruhigen. Aber schon bei der ersten Biegung hörte er ein Geräusch, und erneut bellten und zitterten die Hunde. Eine Wolke von Fliegen verhüllte die Leiche. Santiago Catalán war so geschockt, dass er die Hunde losließ und eine Ladung Schrot in den Himmel feuerte. Die Fliegen zogen sich für einen Moment zurück, und er konnte erkennen, dass es sich bei der Toten um eine Frau handelte. Auch erinnerte er sich, dass man schon früher in dieser Gegend ermordete junge Frauen gefunden hatte. Für Sekunden packte ihn die Angst, die Mörder könnten noch in der Nähe sein, und er bedauerte es, geschossen zu haben. Dann verließ er mit äußerster Vorsicht das ausgetrocknete Bachbett und spähte in die Runde. Nur Cylindropuntien und Kugelkakteen, und in der Ferne einige Sahuaros, dazu das ganze Spektrum gelber Farbe in Schichten übereinander. Zurück auf seiner Ranch, die El Jugador hieß und in der Umgebung von Casas Negras lag, benachrichtigte er telefonisch die Polizei und beschrieb den genauen Fundort. Dann wusch er sich das Gesicht, dachte dabei an die Tote, wechselte das Hemd, und bevor er wieder ging, befahl er einem seiner Angestellten, ihn zu begleiten. Als die Polizei bei dem ausgetrockneten Bachbett eintraf, trug Catalán noch immer seine Flinte und den Munitionsgurt. Die Leiche lag auf dem Rücken, und nur ein Unterhöschen hing noch an einem Bein, um den Knöchel. Festgestellt wurden vier Stichwunden im Unterleib, drei in der Brust sowie eine Verletzung am Hals. Die Tote hatte dunkle Haut und schwarz gefärbtes, bis auf die Schultern reichendes Haar. Wenige Meter entfernt fand man schwarze Tennisschuhe mit weißen Schnürsenkeln der Marke Converse. Die übrige Kleidung fehlte. Die Polizei suchte das Bachbett nach Spuren ab, fand aber nichts oder war nicht fähig, etwas zu finden. Vier Monate später gelang es durch Zufall, sie zu identifizieren. Demnach handelte es sich um Úrsula González Rojo, zwanzig oder einundzwanzig Jahre alt, ohne Familie und in den letzten drei Jahren wohnhaft in Ciudad de Zacatecas. Drei Tage, bevor man sie entführt und ermordet hatte, war sie nach Santa Teresa gekommen. Das berichtete eine Freundin aus Zacatecas, die Úrsula angerufen hatte. Sie schien glücklich, sagte

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