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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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Villaseñor bekannte, er habe noch nie im Leben jemanden verhören müssen, der schlimmer stank als diese drei. Der Dreck war ihnen zur zweiten Haut geworden. Die drei Männer arbeiteten als Mülltrenner auf der wilden Mülldeponie El Chile. In dem Haus, wo sie wohnten, gab es nicht nur keine Dusche, es gab nicht einmal fließend Wasser. Wie, zum Teufel, fragte sich Kommissar Villaseñor, hatte es dieser Escobar zum Geliebten von María Elena gebracht? Am Ende des Verhörs brachte Villaseñor die Festgenommenen in den Hof und verpasste ihnen mit einem Schlauchende eine Tracht Prügel. Dann zwang er sie, sich auszuziehen, warf ihnen Seife zu und spritzte sie mit einem anderen Schlauch fünfzehn Minuten lang sauber. Hinterher, während er sich übergab, kam ihm der Gedanke, dass beide Handlungen nicht einer gewissen Logik entbehrten. Als würden sie sich gegenseitig bedingen. Prügel mit dem grünen Schlauch. Wasser aus dem schwarzen Schlauch. Bei dem Gedanken erholte er sich. Anhand der Beschreibungen der drei Mülltrenner erstellte man ein Phantombild des mutmaßlichen Mörders, das an die anderen Polizeistationen weitergeleitet wurde. Die Suche blieb jedoch ohne Erfolg. Der Exehemann und der Geliebte waren einfach verschwunden, und man hörte nie wieder etwas von ihnen.
    Natürlich war eines Tages Schluss mit der Arbeit. Händler und Galerien wechseln. Nicht so die mexikanischen Maler. Sie bleiben, was sie sind, ein Leben lang, wie die Mariachis, sozusagen, die Händler dagegen flogen irgendwann auf die Kaiman-Inseln, und die Galerien machten dicht oder kürzten ihren Angestellten die Gehälter. Etwas Derartiges muss Kelly passiert sein. Daraufhin organisierte sie Modenschauen. Die ersten Monate liefen gut. Mode ist wie Malerei, nur einfacher. Kleidung ist viel billiger, niemand bildet sich wer weiß was ein, wenn er ein Kleidungsstück kauft, kurz, es lief gut an, sie hatte Erfahrung, sie hatte Kontakte, die Leute vertrauten wenn nicht ihr, so doch ihrem Geschmack, und Kellys Modenschauen wurden ein Erfolg. Aber sie war sich selbst und ihren Einkünften eine schlechte Haushälterin, und soweit ich mich erinnere, war sie immer knapp bei Kasse. Ihr Lebensstil trieb mich manchmal zum Wahnsinn, und dann gerieten wir fürchterlich aneinander. Einige Male stellte ich sie unverheirateten oder vielmehr geschiedenen Männern vor, die bereit gewesen wären, sie zu heiraten und ihren Lebensstil zu finanzieren, aber Kelly war mittlerweile von einer unangreifbaren Unabhängigkeit. Ich will damit nicht sagen, dass sie eine Heilige war. Von einer Heiligen hatte sie nichts. Ich weiß von Männern (ich weiß es, weil diese Männer selbst es mir unter Tränen anvertraut haben), die sie nach Strich und Faden ausgenommen hat. Aber nie mit gesetzlichem Versorgungsanspruch. Wenn sie ihr gaben, was sie forderte, dann weil sie, Kelly Rivera Parker, es von ihnen forderte, nicht weil sie sich der Ehefrau oder Mutter (wobei Kelly sich zu diesem Zeitpunkt bereits gegen Kinder entschieden hatte) oder der offiziellen Geliebten gegenüber verpflichtet fühlten. Es lag offenbar in ihrer Natur, dass sie von sentimentalen Verbindlichkeiten nichts wissen wollte, obwohl dieses konsequent bindungslose Leben sie in eine heikle Lage brachte, eine Lage, die Kelly übrigens nie auf ihre diesbezügliche Einstellung zurückführte, sondern auf die Wechselfälle des Schicksals. Wie Oscar Wilde lebte sie über ihre Verhältnisse. Das Unglaubliche daran war, dass all das Negative sie nicht verbittern konnte. Gut, manchmal schon, manchmal habe ich sie wütend erlebt, cholerisch, aber diese Anfälle gingen rasch vorüber. Zu den Eigenschaften, die ich ihr immer hoch angerechnet habe, gehörte ihre Solidarität mit Freunden. Genau betrachtet, ist das wohl eigentlich keine Eigenschaft. Aber sie war so, Freunde waren ihr heilig, sie hätte immer zu ihnen gestanden. Als ich zum Beispiel dem PRI beitrat, gab es einen kleinen häuslichen Krach, um es einmal so zu formulieren. Einige Journalisten, die mich seit Jahren kannten, redeten nicht mehr mit mir. Andere, die schlimmsten, redeten weiter mit mir, redeten vor allem aber über mich, hinter meinem Rücken. Dieses Land von Machos war, wie Sie wissen, immer auch ein Land von Weicheiern. Anders ist die Geschichte Mexikos nicht zu erklären. Aber Kelly stand immer zu mir, verlangte nie eine Erklärung von mir, verlor nie ein Wort darüber. Wie Sie wissen, hieß es damals, ich wolle jetzt nach oben. Natürlich wollte ich

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