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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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PRI, engen Vertrauten, die mir sagten, ich könne in jeder Hinsicht auf sie zählen. Das war sicher das mindeste, was ich erwartete. Dann rief ich Kellys Mitarbeiterin an und sagte ihr, dass ich in Santa Teresa sei. Das arme, hässliche, erschütternd hässliche Mädchen begann zu weinen und dankte mir, warum, weiß ich nicht. Danach rief ich zu Hause an und fragte, ob in den vergangenen Tagen jemand angerufen habe. Rosita las mir die Liste der Anrufe vor. Nichts Besonderes. Alles wie immer. Ich versuchte zu schlafen, was mir nicht gelang. Eine Zeitlang betrachtete ich vom Fenster aus die dunklen Häuser der Stadt, die Gärten, die Avenidas, auf denen nur hin und wieder nagelneue Autos vorbeifuhren. Ich lief im Zimmer auf und ab. Mir fiel auf, dass es zwei Spiegel im Zimmer gab. Einen an der Stirnseite, den anderen neben der Tür, und dass sie sich nicht ineinander spiegelten. Stand man aber an einer bestimmten Stelle, spiegelte sich in den Spiegeln das Bild des jeweils anderen. Wer nicht im Spiegel auftauchte, war ich. Merkwürdig, dachte ich, und eine Zeitlang, während sich die Müdigkeit in mir ausbreitete, probierte ich verschiedene Positionen aus. Das ging so bis fünf Uhr morgens. Je länger ich mich mit den Spiegeln beschäftigte, desto größer wurde meine Unruhe. Ich begriff, dass es lächerlich war, sich um diese Zeit noch schlafen zu legen. Ich duschte, zog frische Sachen an, packte meinen Koffer. Um sechs ging ich hinunter, um im Restaurant zu frühstücken, das um diese Zeit noch geschlossen hatte. Einer der Hotelangestellten jedoch stellte sich in die Küche und machte mir meinen Orangensaft und meinen üblichen starken Kaffee. Ich versuchte etwas zu mir zu nehmen, brachte aber nichts herunter. Um sieben fuhr ich im Taxi zum Flughafen. Auf der Fahrt durch mehrere Viertel der Stadt dachte ich an Kelly und an das, was Kelly gedacht hatte, als sie sah, was ich jetzt sah, und da wusste ich, dass ich wiederkommen würde. Gleich nach meiner Rückkehr traf ich mich mit einem Freund, der bei der Generalstaatsanwaltschaft von Mexiko DF gearbeitet hatte, um ihn zu bitten, mir einen guten Detektiv zu empfehlen, einen über jeden Verdacht erhabenen Mann, einen ganzen Kerl. Mein Freund fragte, wo das Problem liege. Ich erzählte es ihm. Er empfahl mir Luis Miguel Loya, der bei der Bundesanwaltschaft gearbeitet hatte. Warum ist er nicht mehr dort? fragte ich. Weil er in der Privatwirtschaft mehr verdient. Ich dachte darüber nach, warum mein Freund mir nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, denn seit wann schließlich sind in Mexiko Privatwirtschaft und öffentlicher Dienst unvereinbar? Aber ich sagte nichts, bedankte mich bei ihm und stattete diesem Loya einen Besuch ab. Natürlich war er von meinem Freund vorbereitet worden und erwartete mich. Loya war ein seltsamer Typ. Eher klein, aber mit dem Aussehen eines Boxers, ohne ein Gramm Fett am Leib, dabei muss er über fünfzig gewesen sein, als ich ihn kennenlernte. Angenehme Manieren, gut gekleidet, ein großes Büro und mindestens zehn Leute, die für ihn arbeiteten, von Sekretärinnen bis hin zu professionellen Totschlägern. Ich erzählte noch einmal von Kelly, von dem Banker Salazar Crespo, von seinen Geschäften mit den Drogenhändlern und wie sich die Behörden von Santa Teresa verhielten. Er stellte keine dummen Fragen. Er schrieb nichts auf. Nicht einmal, als er mich nach einer Nummer fragte, unter der er mich erreichen konnte. Ich vermute, er prägte sich alles ein. Als ich ging und wir uns die Hand reichten, sagte er, in drei Tagen würde ich von ihm hören. Er roch nach einem Aftershave oder einem Eau de Cologne, das ich nicht kannte. Eine Mischung aus Spike und Lavendel mit einem unterschwelligen und zarten, wirklich hauchzarten Kaffeearoma. Er begleitete mich zur Tür. In drei Tagen. Als er das sagte, kam mir das sehr kurz vor. Wenn man aber die Tage durchlebt, darauf wartet, dass sie vergehen, können sie zu einer Ewigkeit werden. Ich kehrte lustlos zu meiner Arbeit zurück. Am zweiten Tag bekam ich Besuch von einer Abordnung von Feministinnen, die mein Verhalten nach Kellys Verschwinden anständig und einer Frau angemessen gefunden hatten. Sie waren zu dritt, und nach allem, was ich verstand, war ihre Gruppe nicht sehr groß. Am liebsten hätte ich sie mit Fußtritten aus meinem Büro befördert, aber womöglich war ich deprimiert und hatte keine klare Vorstellung, was ich tun sollte, weshalb ich sie einlud, ein Weilchen zu bleiben. Solange wir nicht

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