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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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sicher. Daraufhin sagte mein Freund, dass der Name, den ich ihm genannt hätte (und den auszusprechen er sich hütete), einem Banker gehöre, der, soweit er informiert sei, für das Kartell von Santa Teresa, was gleichbedeutend sei mit dem Kartell von Sonora, Geld wasche. Na schön, sagte ich. Dann sagte er, besagter Bankier besitze tatsächlich nicht nur eine, sondern mehrere Ranchs außerhalb der Stadt, seinen Informanten zufolge habe jedoch in den Tagen, als meine Freundin dort war, auf keiner von ihnen eine Party stattgefunden. Das heißt, es hat keine öffentliche Party mit Klatschreportern und dem ganzen Klimbim gegeben. Du verstehst? Ja, sagte ich. Dann sagte er, dass dieser Banker, soweit er wisse und seine Informanten es ihm bestätigten, über gute Kontakte zur Partei verfüge. Wie gute? fragte ich. Innige, murmelte er. Inwiefern innige? hakte ich nach. Tiefe, sagte mein Freund, sehr tiefe. Dann wünschten wir uns gute Nacht, und ich dachte lange nach. Tief bedeutete in unserer verklausulierten Sprache uralt, weit zurückreichend, bis in graue Vorzeit, in die Zeit der Dinosaurier. Wer waren die Dinosaurier innerhalb des PRI? überlegte ich. Mehrere Namen gingen mir durch den Kopf. Zwei von ihnen, erinnerte ich mich, waren aus dem Norden oder machten dort Geschäfte. Keinen von beiden kannte ich persönlich. Eine Weile dachte ich an einen gemeinsamen Freund. Aber ich wollte keine Freunde in die Sache hineinziehen. Die Nacht, das erinnere ich noch, als sei es vor zwei Tagen gewesen und nicht Jahre her, war wolkenverhangen, ohne Sterne, ohne Mond, und das Haus, dieses Haus hier, lag totenstill da, nicht einmal die Nachtvögel im Garten waren zu hören, wenngleich ich wusste, dass mein Leibwächter in der Nähe war, wach, vielleicht beim Domino mit meinem Chauffeur, und wenn ich geläutet hätte, wäre sofort eins meiner Dienstmädchen gekommen. Nach einer schlaflos verbrachten Nacht nahm ich am nächsten Morgen die erste Maschine nach Hermosillo und flog von dort weiter nach Santa Teresa. Als man dem Oberbürgermeister, José Refugio de las Heras, mitteilte, dass die Abgeordnete Esquivel Plata ihn zu sprechen wünsche, ließ er alles stehen und liegen und war unverzüglich zur Stelle. Möglicherweise hatten wir uns schon einmal gesehen. Jedenfalls konnte ich mich nicht an ihn erinnern. Als er vor mir stand, lächelnd und beflissen wie ein Hündchen, hätte ich ihn am liebsten geohrfeigt, aber ich beherrschte mich. Eins dieser Hündchen, die sich auf die Hinterbeine stellen und Männchen machen, wenn Sie wissen, was ich meine. Absolut, sagte Sergio. Er fragte mich, ob ich schon gefrühstückt hätte. Ich sagte nein. Er befahl, ein für Sonora, die Grenzregion typisches Frühstück zu bringen, und während wir warteten, deckten zwei wie Kellner gekleidete Beamte einen Tisch am Fenster seines Büros. Von dort sah man auf den alten Hauptplatz von Santa Teresa, sah Menschen kommen und gehen, ihrer Arbeit nachgehen oder die Zeit totschlagen. Ich fand den Ort fürchterlich, trotz seines goldenen Lichts - ein zartes Gold am Morgen, ein intensives, dichtes Gold am Abend, als würde sich in der Dämmerung die Luft mit dem Sand der Wüste vermischen. Noch vor dem Essen sagte ich, dass ich wegen Kelly Rivera hier sei. Der Bürgermeister rief seinen Sekretär, der sich Notizen machte. Wie lautet der Name Ihrer Freundin, Frau Abgeordnete? Kelly Rivera Parker. Und weitere Fragen: Tag ihres Verschwindens, Grund ihres Aufenthalts in Santa Teresa, Alter, Beruf, und der Sekretär schrieb alles mit, was ich sagte, und nachdem ich seine Fragen beantwortet hatte, befahl ihm der Bürgermeister, rasch den Leiter der Kriminalpolizei, einen gewissen Ortiz Rebolledo, ausfindig zu machen und auf der Stelle ins Rathaus zu bringen. Ich hatte nichts von Salazar Crespo gesagt. Ich wollte sehen, was passiert. Der Herr Bürgermeister und ich setzten uns an den Tisch und aßen Eier nach Farmer Art.
    Mary-Sue Bravo bat ihren Redaktionsleiter, über das Verschwinden des Reporters von La Raza recherchieren zu dürfen. Der Redaktionsleiter erwiderte, Hernández Mercado habe wahrscheinlich völlig den Verstand verloren, treibe sich vermutlich im Nationalpark Tubac oder Patagonia Lake herum, ernähre sich von Beeren und rede mit sich selbst. In diesen Parks gibt es keine Beeren, sagte Mary-Sue Bravo. Dann sabbert er eben und spricht mit sich selbst, erwiderte der Redaktionsleiter, aber am Ende gab er ihr doch grünes Licht. Zuerst fuhr sie nach Green

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