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2666

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Titel: 2666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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sie fuhren (»Das Werk Benno von Archimboldis als Spiegel des zwanzigsten Jahrhunderts«, ein zweitägiges Treffen in Bologna, das von den italienischen Nachwuchsarchimboldianern und einer Horde poststrukturalistischer Archimboldianer aus verschiedenen Ländern Europas umlagert wurde), beschlossen sie, Morini samt und sonders alles zu erzählen, was ihnen in den letzten Monaten widerfahren war, außerdem ihre Befürchtungen in Bezug auf Norton und Pritchard.
    Morini, dessen Zustand sich seit ihrem letzten Treffen leicht verschlechtert hatte (doch weder dem Spanier noch dem Franzosen fiel das auf), hörte ihnen geduldig zu - in der Hotelbar, in einer Trattoria unweit des Tagungsortes, in einem sündhaft teuren Altstadtrestaurant und später in den Straßen von Bologna, durch die sie planlos seinen Rollstuhl schoben, ohne ihren Redefluss auch nur für einen Moment zu unterbrechen. Als sie schließlich seine Meinung zu dem realen oder eingebildeten - Gefühlskrimi hören wollten, in den sie verstrickt waren, fragte Morini bloß, ob sie - beide oder einer von ihnen - daran gedacht hätten, Norton zu fragen, ob sie Pritchard liebe oder sich zu ihm hingezogen fühle. Sie mussten gestehen, dass nein, dass aus Zartgefühl, aus Takt, aus Anstand, aus Rücksicht auf Norton, kurz, dass sie das nicht gefragt hatten.
    »Damit hättet ihr anfangen müssen«, sagte Morini, und obwohl er sich nicht gut fühlte und ihm zudem vom ständigen Herumfahren übel war, ließ er nicht den leisesten Klagelaut hören.
    (An dieser Stelle sollte man noch erwähnen, wie recht doch das Sprichwort hat, das da lautet: Die Lorbeeren, die du dir erwirbst, sind ein sanftes Ruhekissen, denn die Beteiligung - wir sagen schon gar nicht der Beitrag - von Espinoza und Pelletier im Rahmen der Tagung »Das Werk Benno von Archimboldis als Spiegel des zwanzigsten Jahrhunderts« war bestenfalls gleich null, im schlechtesten Fall katatonisch, als wären sie plötzlich ausgebrannt oder weggetreten, frühzeitig gealtert oder stünden unter Schock, was weder den Teilnehmern verborgen blieb, die mit dem - nicht selten rücksichtslos entfesselten - Elan vertraut waren, den Espinoza und Pelletier sonst bei solchen Anlässen an den Tag legten, noch dem jüngsten Wurf der Archimboldi-Forschung entging, jungen Leuten frisch von der Universität und mit einem nagelneuen Doktortitel in der Tasche, denen jedes Mittel recht war, ihrer persönlichen Archimboldi-Lektüre zur Durchsetzung zu verhelfen, wie Missionare, die, um den christlichen Glauben zu verbreiten, notfalls auch einen Pakt mit dem Teufel schließen, mehrheitlich ganz rationalistische Leute sozusagen, rationalistisch nicht im philosophischen, sondern im gewöhnlichen, also eher abwertenden Sinne des Wortes, Leute, deren Interesse weniger der Literatur als der Literaturwissenschaft galt, die sie - oder die einige von ihnen - für das einzige Gebiet hielten, auf dem die Revolution noch möglich war, junge Leute, die sich nicht wie junge Leute, sondern gewissermaßen wie neujunge Leute verhielten, in dem Sinne, wie es Reiche und Neureiche gibt, mehrheitlich, wie gesagt, ganz klar im Kopf, wenngleich oft unfähig, ein X von einem U zu unterscheiden, denen am flüchtigen Bologna-Besuch von Pelletier und Espinoza deren absente Präsenz oder präsente Absenz auffiel, die jedoch das Wesentliche nicht wahrzunehmen vermochten: Die gelangweilte Apathie der beiden bei allem, was dort über Archimboldi geredet wurde, eine Art, sich fremden Blicken preiszugeben, die in ihrer Abgestumpftheit dem Dahintrotten von Kannibalenopfern ähnelte, was jene, begeisterte Kannibalen und immer hungrig, nicht bemerkten, mit ihren Gesichtern erfolgsverwöhnter Mittdreißiger, ihrem zwischen Überdruss und Überdrehtheit wechselnden Mienenspiel, ihrem verklausulierten Gestammel, das nur eines ausdrückte: Liebe mich oder vielleicht auch zweierlei: Liebe mich, lass mich dich lieben, was aber offensichtlich niemand verstand.)
    So kam es, dass Pelletier und Espinoza, die wie zwei Gespenster durch Bologna gehuscht waren, bei ihrem nächsten Besuch in London gewissermaßen atemlos und als wären sie im Traum oder in der Wirklichkeit ununterbrochen gelaufen oder getrabt Norton fragten, ob sie, die geliebte Liz, die nicht nach Bologna hatte kommen können, Pritchard liebe oder sehr gern habe.
    Und Norton sagte nein. Und sagte dann, vielleicht doch, und dass es schwierig sei, darauf eine schlüssige Antwort zu geben. Und Pelletier und Espinoza sagten,

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