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269 - Andronenreiter

269 - Andronenreiter

Titel: 269 - Andronenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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fuhr Gosy fort. »Sie drohen damit, sich andere Quellen zu suchen, falls wir bestimmte Käufer weiterhin beliefern.«
    »Das ist doch lächerlich!«, ereiferte sich Bruno und kämpfte mit seinem rechten Schuh, der offensichtlich zu eng geschnürt war, als dass der Sippenführer - wie beabsichtigt - einfach so aus ihm herausschlüpfen konnte. »Das ist nun mal unser Geschäft. So verdienen wir unseren Lebensunterhalt!«
    »Trotzdem wäre es vielleicht ratsam, sich in Zukunft auf ein paar Großkäufer zu konzentrieren.«
    Bruno gab vorerst seinen Kampf mit dem Stiefel auf und blickte seine Tochter an. »Und was dann? Die Mächtigen überrennen die Schwächeren und verleiben sich deren Andronen und Söldner ein. Das heißt für uns weniger Kundschaft und weniger Absatz. Nein, Gosy, das ist eine schlechte Idee. Die Tiere werden zwar nur zehn Jahre alt, und ab einem Alter von acht sind sie auch nur noch als Lasttiere zu gebrauchen, aber irgendwann ist bei einer solchen Situation der Markt erschöpft. Und was machen wir dann? Sollen wir etwa umziehen und das alles hier aufgeben?« Bruno machte eine umfassende Geste, die die komplette Farm einschloss. »Sollen wir uns andere Andronennester suchen, wo wir doch hier die Quelle für frische Tiere direkt vor unserer Nase haben?« Der große Andronenreiter schüttelte den Kopf, dass die in seine Dreadlocks eingeflochtenen Holzperlen nur so klapperten. »Das will ich nicht.«
    Er lockerte die Lederbänder des Schuhs und schaffte es endlich, sich zu befreien. Barfuß standen sie nun vor der Haustür.
    »Aber weißt du was?«, sagte Bruno unvermittelt. »Das alles muss gar nicht deine Sorge sein, Mädchen. Du wirst bald heiraten und dann ganz andere Probleme haben…«
    Gosy wusste nicht, was sie von dem anzüglichen Grinsen ihres Vaters halten sollte.
    »Apropos, dir ist nicht zufällig in letzter Zeit jemand begegnet, der dir den Hof gemacht hat?«
    Gosy rollte mit den Augen. »Zufällig… nein, Bruno!«
    Das Sippenoberhaupt lachte, und das Mädchen stimmte mit ein. »Aber wenn es so wäre, würdest du es mir doch sagen, oder?«, fragte er, und es klang zu ernst, als ob er es diesmal noch scherzhaft meinen würde.
    Gosy nickte eifrig, um ihren Vater zu beruhigen. »Natürlich!«
    Bruno war zufrieden. »Gut! Dann lass uns essen.«
    Gosy blieb im Türrahmen stehen und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich wollte doch noch etwas… ach ja, die Liste mit den Aufträgen!«, rief sie. »Sie ist noch in der Satteltasche!«
    »Dann hol sie!«, rief Bruno über die Schulter zurück. Er war schon auf dem Weg zur Küche den Flur hinuntergegangen. »Aber dann komm ins Haus! Das Tier kannst du später absatteln und in den Stall bringen!«
    »Okee!«, sagte Gosy und schlüpfte wieder in ihr Schuhwerk.
    Während sie zu der angebundenen Androne lief, schaute sie sich um und kontrollierte, ob auch niemand sie beobachtete. Die Fenster des Wohnhauses waren erleuchtet, aber niemand stand dort und hielt nach ihr Ausschau.
    Bestens! Es sind schon alle beim Essen.
    Geduckt schlich sie um die Androne herum und eilte zum Stall, auf die Tür der Sattelkammer zu. Aus einer der Gesäßtaschen ihrer Hose ragte ein Zettel.
    Es war die Liste, die sie vorgegeben hatte, holen zu wollen…
    ***
    Residenz des Conte Malandra, Toscaana
    Die Flammen der Fackeln an den Wänden zitterten in der leichten Brise, die durch die geöffnete Balkontür des Arbeitszimmers hereinwehte. Der Conte liebte diese frühlingshaften Abendstunden, wenn die noch etwas kühle Luft vom Meer heranzog und einen Duft von Salz und Freiheit in seine Stube trug.
    »Ah, la dolce vitaa!«, seufzte er und lehnte sich in seinem thronartigen Sessel zurück.
    »Äh, wie meinen?«, fragte der Verwalter, der Malandra gegenüber auf der anderen Seite des riesigen Schreibtisches saß. Er war gerade dabei, seine Papiere zu ordnen.
    »La dolce vitaa, das ist ein Spruch, mit dem man in dieser Region seit ewigen Zeiten den Müßiggang umschreibt«, dozierte Malandra. Er beugte sich zu dem Bediensteten vor. Sein mittellanges schwarzes Haar fiel über das weiße Hemd, das bis auf zwei Knöpfe in der Bauchgegend geöffnet war. »Ich vergaß, du bist ja nicht von hier. Wo waren wir stehen geblieben?« In einer lässigen Bewegung griff er zum Weinkelch vor sich und leerte ihn mit einem Zug.
    »Die neuesten Berichte aus Eurer Grafschaft, Herr«, setzte der Verwalter an. »Wie ich schon sagte, wir verzeichneten bei einer Einwohnerzahl von etwa neuntausend

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