269 - Andronenreiter
im letzten Monat zweiundachtzig Tote durch Alter, Krankheit, Mord oder kriegsbedingt. Dem gegenüber stehen achtundvierzig Geburten…«
»… macht vierunddreißig Personen, von denen ich keine Steuer mehr erheben kann!«, schloss der Conte, biss in einen Apfel und kaute herzhaft. »Wie viele Männer sind unter den Neugeborenen?«
Der Verwalter blätterte durch seine Papiere. »Moment… fünfundzwanzig männliche Nachkommen.«
»Fünfundzwanzig künftige Soldaten also«, Malandra schluckte den zerkauten Apfel herunter, »die in knapp fünfzehn Wintern mein Heer aufstocken werden.«
Der Bedienstete verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitroon gebissen. »Apropos Heeresstärke…«, murmelte er unbehaglich.
Malandra merkte auf. »Was ist damit?«
»Nun, Herr, bedauerlicherweise nimmt sie immer weiter ab«, flüsterte der Verwalter. Jetzt war er es, der sich zu dem Conte herüberbeugte. »Die Scharmützel mit dem Conte von Latinaa haben unglücklicherweise ein halbes Dutzend Eurer Gardisten das Leben gekostet. Zwei ihrer Reittiere wurden vom Feind gestohlen, während ein drittes noch auf dem Schlachtfeld verendete.«
»Porca miseeria!«, fluchte Malandra und warf wütend seinen Apfelrest auf den Balkon. »Schon wieder drei Andronen weniger!«
»Und einen Teil Eures Reiches, nicht zu vergessen. Zwei Dörfer, die zuvor Eurem Territorium zuerkannt waren, befinden sich jetzt unter der Verwaltung von Latinaa. Mit Verlaub: Die Kartenzeichner kommen mit den Änderungen, die die Grenzen unserer Grafschaft in den letzten Monaten zu verzeichnen hatten, kaum nach.«
»Wie soll ich das denn verstehen?« In einer ruckartigen Bewegung hatte Malandra seinen Säbel gezogen und richtete ihn gegen seinen Verwalter. »Höre ich da Kritik aus deinen Worten?«
»Aber nein, Herr, das war es nicht, was ich sagen wollte!«, ruderte dieser sofort zurück. Verstohlen hielt er nach etwas Ausschau, das er notfalls als Schild nutzen konnte, sollte ihn der Graf tatsächlich wegen seines Frevels angreifen. »Mir geht es nur um die nackten Zahlen«, versuchte er sich herauszureden, »und die kennen keine Kritik.«
»Ach?«, machte Malandra. Er schien zu überlegen, dann entschied er wohl, dass er den Verwalter noch brauchte, und legte den Säbel vor sich auf die Tischplatte. »Dann merke dir Folgendes: Ich werde schon bald über ein großes Heer verfügen! Hunderte der prächtigsten Andronen werden meine Armee bilden, und sie werden beritten sein von den besten Andronenreitern, die die Toscaana je gesehen hat!«
»Oh! Wirklich?« Der Bedienstete wirkte überrumpelt, nahezu verblüfft. Malandra schien vollends überzeugt von dem, was er sagte. Auch wenn es den Realitäten widersprach.
»Aber natürlich!«, bestätigte der Conte und erhob sich. Tief durchatmend trat er an die geöffnete Balkontür. »Ich habe einen Weg gefunden, wie unsere Grafschaft zur mächtigsten der ganzen Toscaana aufsteigen kann.«
Er sinnierte noch einen Moment lang, dann drehte er sich zu dem Verwalter um. »Genug für heute. Du kannst jetzt gehen!«
»Und was ist mit den weiteren Berichten?«
Malandra machte eine wegwerfende Handbewegung. »Lass sie hier, ich sehe sie mir später an!«
Der Verwalter erhob sich und deutete eine Verbeugung an. »Sehr wohl, Herr!« Als er den Raum verlassen hatte, trat der Conte auf den Balkon und blickte hinab aufs Wasser. Der Halbmond spiegelte sich in den Wellen, sein Bild sah aus wie in helle Streifen geschnitten. Malandra fröstelte nun doch ein wenig, und er knöpfte sein Hemd zu.
»Die ganze Toscaana wird mir gehören« , murmelte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und du wirst mir das ermöglichen, Gioseppina…«
***
Irgendwo im Mittelmeer
Matthew Drax ließ seinen Blick über die dunkle wogende Fläche schweifen, die sie umgab. Eigentlich war das Meer von einem besonderen Zauber, gerade bei Nacht, aber in den letzten Stunden war es ihm zum Feind geworden.
Seine Arme schmerzten vom anstrengenden Paddeln mit den nur bedingt geeigneten Wrackteilen der MOTHER NATURE. Seine Haut brannte vom Salz des Wassers, das unablässig auf sie spritzte und eintrocknete. Quälender Durst wühlte in seinen Eingeweiden. Aber wenigstens war die Hautreizung an Händen und Hinterkopf abgeklungen.
Aruula ging es nicht anders als ihm.
»Meerdu!«, fluchte sie und knallte frustriert ihr Paddel auf das provisorische Floß. Sie streckte sich und verlagerte ihr Gewicht so, dass sie sich hinlegen konnte. Ihre wässrigen
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