27 - Im Lande des Mahdi I
sie nicht erwarten.“
„So brauchten wir denselben ja gar nicht aufzusuchen!“
„Du gehst zu weit! Ich wollte dort auf die Spur der Sklavenräuber kommen und habe diese Absicht vollständig erreicht. Du solltest mich also loben, anstatt mich zu tadeln. Nun ich die Fährte habe, werde ich sie nicht wieder verlieren. Es gibt zwei Wege, zwischen denen wir wählen können. Entweder lassen wir die Räuber an uns vorüber und folgen ihnen, um, falls es paßt, über sie herzufallen, oder wir reiten ihnen voraus, um uns ein zum Kampf geeignetes Terrain zu suchen und sie dort zu erwarten. Dieses letztere halte ich für das bessere.“
„Dann müßten wir ihre Richtung wissen.“
„Die werde ich am Abend erfahren.“
„Und wenn nicht, was dann?“
„In diesem Fall können wir immer noch den erstbezeichneten Weg einschlagen.“
„Ich würde ihn überhaupt sofort wählen, denn er ist sicherer als der andere. Ich begreife nicht, daß du auf das Belauschen so versessen sein kannst.“
„Weil ich aus Erfahrung weiß, welche Vorteile es bringen kann. Es ist leicht möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß ich viel mehr höre, als was ich erfahren will. Das, was ich erhorche, kann von großer Wichtigkeit sein. Ich bitte dich, nicht mehr zu widersprechen, denn deine Einwendungen haben keinen Erfolg. Übrigens müssen wir unser Gespräch abbrechen, denn ich sehe da draußen einen kommen, der kein anderer als Selim sein kann.“
Es tauchte nämlich jetzt am westlichen Horizont ein weißer Punkt auf, welcher sich uns näherte. Bald erkannten wir einen Fußgänger, welcher so eilig lief, daß sein weißer Burnus wie eine Fahne hinter ihm her wehte. Es war Selim, welcher froh war, uns eingeholt zu haben, und sich darüber freute, daß mir die Befreiung der Gefangenen gelungen war. Wir brachen auf.
Unsere Gegner hatten die nordöstliche Richtung, welche direkt nach dem Bir Murat führte, eingeschlagen. Da sie nicht erfahren sollten, daß wir dasselbe Ziel hatten, hielten wir uns mehr östlich und ritten dann, als wir gewiß waren, sie überholt zu haben, auf den Dschebel Mundar zu.
Es war zur Zeit des Asr, des Nachmittaggebetes, als wir am Fuß desselben anlangten, und es fiel mir nicht schwer, den alten Onbaschi mit seinen Asakern, trotzdem sie sich versteckt hielten, aufzufinden. Er hatte dies nicht für möglich gehalten und darum einige Posten ausgestellt; ich aber traf sein Versteck, ohne auf einen dieser Leute gestoßen zu sein.
Es wurde einige Zeit ausgeruht und bei dieser Gelegenheit die Beute verteilt. Ich behielt die Karten. Was mit dem übrigen geschah, war mir gleichgültig; nur bestimmte ich, daß Selim nichts bekommen sollte. Das war die Strafe für seinen Mangel an Wachsamkeit und für die Feigheit, welche er dann gezeigt hatte. Der alte Schlingel tat mir eigentlich leid, doch konnte ihm diese Lehre gar nichts schaden. Eine Stunde nach Asr stiegen wir wieder auf, um, diesmal natürlich in Begleitung der Asaker, bis in die Nähe des Bir Murat zu reiten.
Es wurden über die Lage desselben schon einige Andeutungen gegeben. Wer ihn von Norden her erreichen will, der kommt durch ein Tal, welches von einem Dumpalmen-Wald bestanden ist. Nach einem langen Ritt durch die Öde, dürre Wüste ruft der Anblick desselben das Entzücken des Wanderers hervor. Durch diesen Wald mußte auch Murad Nassyr gekommen sein oder noch kommen.
Der Brunnen selbst liegt in einem kleinen Tal, welches von steilen Felswänden eingeschlossen wird. Er hat sechs Löcher, welche ungefähr drei Meter tief in den lehmigen Boden gegraben sind. Das Wasser ist keineswegs rein; es schmeckt wie eine Lösung von englischem Salz und hat auch ganz dieselbe Wirkung. An dieser Stelle haben einige Beduinen ihre Zelte aufgeschlagen, um im Auftrag des Schechs den Brunnen zu bewachen und eine Abgabe zu erheben. Sie sehen elend und leidend aus und sind dürr, fast wie Skelette – eine Folge des Wassers, welches sie genießen müssen.
Der Weg von Bir Murat nach Süden führt stundenlang über Felsen und Steingeröll eine beschwerliche Schlucht aufwärts. In der Nähe dieser Schlucht hielten wir, als wir kurz vor Sonnenuntergang dort ankamen. Es gab da Plätze genug, welche uns zum Versteck dienen konnten. Ich ging, ehe es dunkel wurde, rekognoszieren. Ich mußte später, wenn es Nacht geworden war, in die Schlucht hinabklettern und über eine halbe Stunde lang derselben folgen; das war, da ich nicht gehört werden durfte, keine leichte Aufgabe.
Der
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